Der Alchimist von Krumau
Stradová zur gleichen Zeit zu. »In jener Nacht im letzten Mai«, sagte sie, »als das Mariandl bei ihm im Hradschin war, da ist Johanna vor seiner Tür herumgeschlichen – wusstet Ihr das, Madame? Einmal hat er was poltern gehört, auf dem Flur vor seinem Gemach, da ist er rasch nach draußen, und vor ihm stand die Waldstein.«
Katharina da Strada hob die Anne, um ihr strahlend weißes Häubchen zu richten. »Sie wandelt im Schlaf, das ist bekannt«, sagte sie, »aber Johanna ist friedlich wie ein Lamm. Wollt Ihr wirklich behaupten, die Mondsüchtige wäre mit der Axt herbeigetaumelt und hätte das Hürchen erschlagen, während Julius neben ihr seinen Rausch ausschlief?«
Markéta wollte bejahen, doch der lauernde Ausdruck in Katharinas Augen ließ sie zögern. Die Waldstein hat mir ja gedroht, dachte sie, und klang ihr Verdacht nicht auch in den Worten der Stradová eigentümlich einleuchtend? »Ich war nicht dabei, Madame«, sagte sie schließlich nur. »Doch ich weiß, dass ich von Don Julius nichts zu fürchten hab. Er liebt mich, auch wenn …«
»… auch wenn er Euch nicht mehr erkennt?«, schlug die mütterliche Mätresse vor. »Gott behüte Euch, mein Kind, nun muss ich aber wirklich gehen: Der Kaiser ruft!«
88
Er zog sie an sich und küsste sie, zärtlich wie seit langer Zeit nicht mehr. In seinen Augen ein Glanz, als ob die Nacht in ihm sich endlich wieder lichten wollte.
»Julius?«
Forschend sah er sie an, oder durch sie hindurch, so als ob er aufmerksam in unbestimmte Ferne horchte.
Mehr als zwei Monate lang hatte er puppenstarr auf seinem Prunkstuhl gesessen und von morgens bis abends immer nur das leere Bildnis fixiert. Nun aber war er aus eigener Willenskraft aufgesprungen und hatte sie in seine Arme gezogen, zum ersten Mal, zum allerersten Mal!
»O Julius, mein geliebter Herr! Wie ich mich freu – für Euch und für mich selbst!«
Er nahm ihren Kopf in seine Hände, schaute sie innig an und küsste sie aufs Neue.
War es wahrhaftig so, dass seine Seele sich den Teufelskrallen zu entwinden suchte? Aber ja, aber ja, jubelte ihr Herz, ich hab’s immer geahnt, niemals hab ich aufgehört, an seine Heilung zu glauben!
Nur verschwommen sah sie vor sich, wie sie jetzt weiter vorgehen sollte, um ihn gänzlich aus der Gewalt des Lumpenteufels zu befreien. Als Erstes ihn aus dem Bannkreis des Bildes entfernen, dachte Markéta, alles Weitere würde sich ergeben. Hauptsache, sie blieb behutsam, damit seine Seele nicht erschrak.
»Kommt mit mir, mein lieber Herr, ich bringe Euch zu Bett.« Er nickte ihr zu und ließ seine Hände sinken, so langsam wie im Traum. Eine flirrende Freude breitete sich in ihr aus, ihr Innerstes aufwirbelnd nach den langen Wochen frostiger Starre.
Ihr versteht meine Worte, lieber Herr, dachte sie, Ihr erkennt mich endlich wieder!
Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn langsam auf die Tür zu seinem Schlafgemach zu, dabei lächelte sie unentwegt zu ihm empor. Bei Tag und Nacht brannte das Feuer in seinem Kamin, denn noch immer duldete Julius keinen Kleiderfetzen auf seinem Leib, ausgenommen den Krönungsmantel. Fügsam ließ er sich von ihr führen, ein jugendlicher Hüne, nackt bis auf den zerschlissenen Habit um seine Schultern, die Silberkrone schief auf dem verworrenen Haar. Sein Anblick rührte Markéta fast zu Tränen und versetzte sie zugleich in fieberhafte Erregung – an mir, nur an mir liegt’s jetzt, ob die Umnachtung sich lichtet und Julius wieder der wird, der er einmal war.
Vor seinem Schlafgemach sah er über die Schulter zurück zu da Biondos Bild und stockte. Behutsam zog ihn Markéta weiter, über die Schwelle hinweg, und drückte die Tür hinter ihnen zu.
Auch in seinem Schlafraum herrschte stickige Hitze, der Kamin glühte fast wie einst der Athanor in Hezilows Unterwelt. Sie führte ihn zu seinem Bett, unter dessen moldaublauem Himmel sie so viele zärtliche Stunden verbracht hatten.
Sie stellte sich vor, wie Julius’ Seele, ein leuchtend bunter Schmetterling, halb noch verpuppt in der Hand des Puppenmachers zuckte. Wenn irgendeine Macht dem majestätisch rot und schwarz gefleckten Seelenfalter helfen kann, sich gänzlich aus dem Bann zu lösen, dann muss dies unsre Liebe sein. Unter dem samtenen Himmel wird mir Julius’ Leidenschaft auch sein Gedächtnis wieder regsam werden, dachte Markéta, indem sie Mantel und Krone von ihm nahm und seinen nackten Leib unter damastene Decken bettete.
Das Kaminfeuer erfüllte den Raum mit
Weitere Kostenlose Bücher