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Der Alchimist von Krumau

Der Alchimist von Krumau

Titel: Der Alchimist von Krumau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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vorgehabt, den unglücklichen Alten einmal zu besuchen, aber wie sie sich nun sagte, hätte sie wohl besser dran getan, allein zu kommen. »Wie geht es denn immer so, werter Herr?«
    Sie beugte sich zur Seite, um an Julius vorbei zum Astrologen zu spähen.
    Von Sargenfalts furchiges Gesicht hatte einen fragenden Ausdruck angenommen. Sein klapperdürrer Greisenleib war in einen schwarzen Mantel gehüllt, die dünnen weißen Haare standen wie Strahlen von seinem Schädel ab. »Ludovica da Ludanice, gewiss«, nuschelte er und starrte auf die Decke, über die seine Hände unentwegt strichen, als schiebe er ein Gewimmel winziger Tiere zu sich her. »Tag und Nacht such ich Eure Anverwandte, so viele Seelen im Nebelmeer, Madame.«
    »Wir sind der König«, sagte Julius, »auf welche Weise wünscht Ihr uns zu dienen?«
    Der Astrolog fuhr zusammen, doch sein Blick blieb auf die gestickten Sterne gerichtet. »Der König«, wiederholte er in einem Tonfall, als ob das Wort eine fast vergessene Melodie in ihm erklingen ließe. Unablässig waren seine Hände in Bewegung, immer wieder bog er seinen Oberkörper mit verblüffender Geschmeidigkeit zur Seite, um unsichtbare Glühwürmchen von den entferntesten Gegenden seines Bettes herbeizuziehen.
    »Wir wollten nur einmal rasch vorbeischauen, Herr Astrolog«, sagte Markéta in munterem Tonfall. »Jetzt müssen wir schon weiter, nicht wahr, Julius? – Du zuerst, Franz«, fügte sie leiser hinzu.
    Julius warf einen raschen Blick über seine Schulter, dann wandte er sich hastig wieder nach vorn, um das Bildnis nicht aus den Augen zu verlieren. »Wir sind der König, Madame«, sagte er in einem Ton, der Unruhe verriet. »Auf welche Weise wünscht Ihr uns zu dienen?«
    »Auf jede erdenkliche Weise, Majestät.«
    Sie hatte die Floskel wohl schon tausendmal gebraucht, doch diesmal blieb die besänftigende Wirkung aus. Franz Brodner hatte sich umgewandt, um sich wieder aus der winzigen Stube hinauszuschieben, wie Markéta es angeordnet hatte, damit aber geriet das Bildnis aus Julius’ Blick.
    »Dreh er sich um, Arschgardist!«, kreischte der Graf. »Herum mit ihm, aber hoppsa, oder wir schneiden ihm die Schwarte runter und kochen seinen Schinken auf dem Athanor!«
    »Mach schon, Franz«, sagte Markéta leise. »Und jetzt rückwärts – ganz langsam, ja?«
    Der Gardist tat wie geheißen, das Bildnis, das er an einer Schnur um den Hals gebunden trug, bebte auf seinem Rücken wie eine Vogelscheuche im Herbstwind. Behutsam legte Markéta ihre Hände auf Julius’ Schultern und zog ihn rückwärts aus der Turmstube. Franz Brodner folgte ihnen, gleichfalls rückwärts wandelnd, wobei er mit dem klobigen Bilderrahmen erst an das Bett zu seiner Rechten, dann ans Stehpult und schließlich ans Fernrohr stieß, das wie ein metallener Frosch auf seinem Schemel hockte.
    »So viele Seelen, so viele Lichterfäden, Madame«, hörte Markéta den Astrologen murmeln. Währenddessen presste sich der Gardist vor der Sternguckerstube an Don Julius vorbei, mit der Nase buchstäblich über die Wand schleifend, und stolperte endlich die Stufen hinunter, gefolgt von Julius, der in seine würdevolle Haltung zurückgeglitten war.
    In Flors Fuchsstiefeln stapfte Markéta hinter den beiden her, der Schrecken saß ihr noch in den Gliedern, und doch musste sie sich ein Lächeln verbeißen. Die unflätigen Flüche, die manchmal aus Julius hervorbrachen, das war bloß der Lumpenteufel, der seine Seele gefangen hielt. Aber daneben wohnte auch ein Kind in diesem Körper eines kraftvollen jungen Mannes, ein Knabe von träumerischer Sanftheit, der immer mehr ihrem lieben kleinen Flor zu ähneln schien.

  87
     
     
    »Der Kaiser hat entschieden: Julius bleibt bis auf weiteres hier in der Burg, protegiert von Oberst Hoyos und hundert Mann der kaiserlichen Garde.«
    Bewacht, dachte Markéta, wär wohl das ehrlichere Wort.
    »Und ich, Madame – wie hat die väterliche Majestät über mich entschieden?«
    »Über Euch?«, echote die Stradová mit einem milden Lächeln.
    »Alors, ma chère …« Von Kopf bis Fuß in blendendes Weiß gekleidet, glich sie mehr denn je einer Winterwolke, die mit eleganter Leichtigkeit über den Himmel gleitet. »Johanna von Waldstein jedenfalls hat beschlossen, den Schleier zu nehmen, nachdem Julius …«
    »Sie geht ins Kloster?«, fiel ihr Markéta ins Wort. Aber das ist ja wunderbar!, wollte sie hinzufügen, verbiss sich den Jubelruf indes im letzten Moment.
    Die Stradová nickte mit einem

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