Der Amerikaner - The American
Sicherheitsbeamter auf der Beifahrerseite ausgestiegen war und eine MP5-Maschinenpistole an die Schulter presste. Benecelli gab einen kurzen Feuerstoß ab, doch
die drei 9-mm-Kugeln verfehlten den Attentäter um Haaresbreite und schlugen in die rote Backsteinfassade des Arts and Industries Building ein. Dann verschwand der Mann hinter seinem Chevy Tahoe, und Benecellis Schusslinie war blockiert. Unterdessen sah der Mann mit dem Raketenwerfer seine Chancen für eine Flucht rapide schwinden. Er hatte den Leihwagen so geparkt, dass er in seinem Schutz durch den Main Garden des Smithsonian-Museums zur National Mall entkommen konnte. Er trat zwei Schritte zurück, drehte sich um, lief auf das schmiedeeiserne Tor zu, rannte den von Bäumen gesäumten Parkweg hinab und blieb an der scharfen Rechtskurve stehen, hinter der sich die Grünanlage befand. Er war etwas außer Atem, aber seine Hände zitterten nicht, als er sich vergewisserte, dass die letzte Rakete fest in der Waffe saß. Dann hob er den Raketenwerfer zum dritten Mal an die Schulter.
Mittlerweile war der Regen so heftig, dass die Sicht stark beeinträchtigt war, und das Prasseln übertönte die Schreie der Verwundeten. Auf der anderen Seite des Tahoe bewegte sich Agentin Megan Lawrence vorsichtig nach links, wobei sie ihrem vorrückenden Partner mit der Sig Sauer P229 Feuerschutz gab. Benecelli hielt die einzige automatische Waffe in den Händen, die sich in ihrem Wagen befunden hatte, und sie fühlte sich mit ihrer Pistole fast schutzlos. Sie zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, während sie sich auf die Lücke zwischen der Windschutzscheibe des Tahoe und dem schmalen Weg neben dem Art and Industries Building konzentrierte. Obwohl es ihr schwer fiel, dachte sie weder an ihre sechsjährige Tochter noch an den Freund, den sie gerade verloren hatte. In diesem Augenblick achtete sie nur auf Benecelli, der sich langsam um die Vorderseite des Fahrzeugs herumbewegte.
Ihr Partner zögerte kurz, bevor er die Feuerposition einnahm, und in diesem Moment hörte sie das fürchterliche Kreischen der mit Triethylaluminium gefüllten Rakete, deren Flugbahn dem Parkweg folgte und die auf der Beifahrerseite in den Tahoe einschlug, als wäre das Fahrzeug aus Plastik. Sie stand wie gelähmt da und musste entsetzt mit ansehen, wie scharfe Metallsplitter, überzogen mit Partikeln der glühenden chemischen Substanz, sich tief in Benecellis Brust und Gesicht bohrten. Von den Schmerzensschreien ihres Partners verfolgt, verlor sie das Bewusstsein.
1
Cape Elizabeth, Maine
Nachdem er eine Stunde im eiskalten Wasser des Nordatlantiks geschwommen war, bereitete es Ryan Kealey einige Mühe, die fünfzig Meter hohe Klippe zu erklimmen, aber er nahm mit Befriedigung zur Kenntnis, dass sich seine Erschöpfung in Grenzen hielt. Oben angekommen, ließ er sich auf der kleinen Lichtung einen langen Augenblick Zeit, um die Aussicht zu genießen, und ging dann gemächlich einen steinigen, von Bäumen gesäumten Fußweg hinab. Kurz darauf kam er an einem einsamen Zaunpfahl vorbei, über den er ein zerschlissenes Handtuch gehängt hatte, mit dem er seinen widerspenstigen schwarzen Haarschopf trocknete. Er ging weiter, bis die Bäume den Blick auf ein zweistöckiges, mit Zedernholz-Schindeln verkleidetes Haus freigaben, das er vor elf Monaten gekauft und größtenteils selbst von Grund auf renoviert hatte. Das kostspielige Schieferdach, dessen Errichtung er in realistischer Einschätzung seiner handwerklichen Fähigkeiten Fachleuten überlassen hatte, war neu, genau wie der Außenkamin im Hof.
Als er sich dem Haus näherte, flog plötzlich die Küchentür auf, und eine junge Frau lief auf ihn zu und schlang die Arme um ihn.
»Verdammt, Ryan, ich hab dich überall gesucht!«, sagte sie mit einem bezaubernden Lächeln. »Ich habe Neuigkeiten, die du bestimmt nicht gern hören wirst.«
Auch Kealey lächelte, wie immer entzückt von ihrer jugendlichen
Ausgelassenheit. »Dann erspar uns den Ärger und behalt es für dich.«
Sie folgte ihm in das gut geheizte Haus. »Du wirst es nicht glauben«, sagte sie aufgeregt. »Zufällig hab ich heute mitgehört, wie sich der Dekan über dein mangelhaftes berufliches Engagement beklagt hat. Er hat wörtlich gesagt, du würdest ›öfter schwänzen als der versoffenste Student‹. Und wenn ich mich nicht irre, hat er noch hinzugefügt …«
»Katie.« Er unterbrach gut gelaunt ihren Wortschwall. »Ich bin auf den Job nicht angewiesen, und der Dekan ist
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