Der Amerikaner - The American
PROLOG
Washington, D. C.
Sie tuschelten. Für eine weniger gewichtige Ankündigung, flüsterten sie, wäre die Lokalität vielleicht angemessen gewesen.
Das Lamentieren war ihre Berufskrankheit, und die für die Ausgabe der Presseausweise sowie die Festlegung der Sitzordnung zuständigen Bediensteten erwarteten nichts anderes. Alles, was nur annähernd einem Kompliment gleichgekommen wäre, hätte sie verblüfft. Auch wenn fortgesetzte Unterbrechungen die Veranstaltung ins Stocken geraten ließen, waren nur wenige überrascht. Trotzdem gaben sie sich alle Mühe, den Aufenthalt der Gäste angenehm zu gestalten. Für Nachzügler wurden zusätzliche Stühle herbeigeschafft, und man achtete darauf, dass stets frischer Kaffee und kaltes Mineralwasser bereitstanden. Hoch über den Köpfen der Medienvertreter hingen Kronleuchter, die ausreichend Licht spendeten. Die Kameramänner beschwerten sich trotzdem, allerdings vergeblich. Keiner der Verantwortlichen wäre auf die Idee gekommen, die Veranstaltung bei Tageslicht stattfinden zu lassen. Die sechs großen Fenster waren aus Sicherheitsgründen zugeschweißt, und davor hingen dunkelrote Vorhänge, deren Farbe perfekt auf die des Teppichs abgestimmt war. Zwischen den funkelnden Kronleuchtern und der vergoldeten Decke schwebten zwei vergessene, sternförmige Luftballons. Die obligatorischen Gemälde an den Wänden fehlten, doch dieses Defizit wurde durch imposante Marmorsäulen in korinthischer Ordnung mehr als wettgemacht.
Die Medienvertreter waren sich größtenteils darin einig, dass es an den üblichen Insignien der Macht nicht fehlte. Ein un übersehbarer Nachteil des Saales bestand allerdings in seiner mangelnden Größe. Alle mussten eng zusammenrücken und fanden die Situation unbehaglich. Nachdem die Pressekonferenz jedoch begonnen hatte, ebbten die Beschwerden ab, und bald machten sich alle eifrig Notizen und bedachten diejenigen mit bösen Blicken, die weiter miteinander redeten. Schließlich war das Getuschel ganz verstummt, und alle lauschten gebannt dem Mann, der gerade Hof hielt, flankiert von einigen prominenten Kollegen.
»Ich denke, dass wir, einige der meistgeachteten und einflussreichsten Menschen in Washington, darunter auch solche, die einen direkten Draht zum Präsidenten haben, heute einen Konsens gefunden haben. Ich bin höchst zuversichtlich, dass der Präsident den Schlussfolgerungen, zu denen der Ausschuss heute Nachmittag gelangt ist, positiv gegenüberstehen wird. Leider bleibt nur noch Zeit für eine weitere Frage … Ich sehe, Sie sind schon ganz unruhig, Susan. Schießen Sie los.«
Einige der versammelten Zeitungs- und Fernsehjournalisten lachten leise, als die CNN-Korrespondentin leicht errötete und dem Mann auf dem Podium ihre Frage stellte. »Senator Levy, was versprechen Sie sich von diesem Ultimatum an die Übergangsregierung im Iran? Und glauben Sie, dass unsere Regierung erneut jenen Weg einschlagen wird, der im Irak zu so kontrovers diskutierten Resultaten geführt hat?«
Die zweite Frage ließ den Senator die Stirn runzeln, was keinem der Anwesenden entging. »In erster Linie geht es uns darum, den Machthabern in Teheran klar zu machen, dass die Vereinigten Staaten nicht untätig zusehen werden, wenn das Regime Maßnahmen ergreift, die für die amerikanische Bevölkerung
eine Gefahr darstellen. Bisher - und ich möchte das nachdrücklich betonen - haben wir die Möglichkeit einer bewaffneten Auseinandersetzung nicht in Betracht gezogen. Nicht einmal die, in der Region Truppen zusammenzuziehen.«
Levy legte eine Kunstpause ein, die offenbar den Eindruck vermitteln sollte, er müsse seine Gedanken sammeln. Tatsächlich war es Effekthascherei. »Gegenwärtig haben wir konkrete Beweise dafür, dass Teheran erneut mit der Urananreicherung begonnen hat, um das Material für Atomwaffen zu verwenden. Als die Entscheidung getroffen wurde, Saddam Hussein zu stürzen, gab es solche eindeutigen Beweise nicht. Augenblicklich sieht die Lage so aus, dass der Präsident sich weigert, die neue Führung in Teheran anzuerkennen, und ich - wir - unterstützen diese Entscheidung. Außerdem haben der französische Präsident Chirac und der italienische Ministerpräsident Berlusconi nach anfänglichem Zögern zugestimmt, dass alle Unternehmen mit Ölinteressen im Iran ihre Verträge aufkündigen und sich zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus der Region zurückziehen, wenn es zu einer Übereinkunft hinsichtlich einer partiellen Kompensation kommt.
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