Der amerikanische Patient
voranzuschreiten bei der Lösung der globalen Energie-, Sicherheits-, Umwelt- und Wirtschaftsprobleme.
Was sollten Deutschland und Europa tun?
Einen Wandel in der globalen Energie- und Klimapolitik – und damit auch nachhaltiges Wirtschaften – wird es ohne die USA nicht geben. Hier muss ein Kurswechsel erfolgen. Um das zu erreichen, darf die deutsche wie die europäische Politik ihre Aufmerksamkeit nicht allein auf die amerikanische Exekutive und den künftigen Präsidenten richten, sondern sollte zugleich über die Ebene der Bundesstaaten und über den Transmissionsriemen der nationalen Legislative ihre Politikvorstellungen in die öffentliche Debatte der USA hineintragen. Das sehr durchlässige politische System der Vereinigten Staaten mit seiner hohen Rotation erleichtert Karrierewechsel und eröffnet auch Außenstehenden vielfältige Einwirkungsmöglichkeiten. In diesem System der revolving doors , des ständigen Rein und Raus, wechseln die Handelnden häufig, und mit diesen Wechseln verändern sich auch die Ideen und Interessen. In keinem anderen Land der Welt wird ein derart breiter und offener politischer Diskurs gepflegt wie in den USA. An ihm sind unzählige Interessengruppen und Think Tanks, aber auch fremde Regierungen und zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligt.
Einflusskanäle nutzen
Das politische System der USA bietet originellen Köpfen ein optimales Betätigungsfeld: Interessengruppen wie auch Think Tanks sind in ihrer Einflussnahme nicht – wie es in parlamentarischen Regierungssystemen gang und gäbe ist – durch die Türsteherrolle politischer Parteien behindert und finden leichter Zugang zu einer viel
größeren Zahl mitentscheidender Akteure. Europäische Politiker, Wirtschaftsvertreter und internationale Organisationen sollten ihr diplomatisches Augenmerk auch auf diese einzelnen Abgeordneten und Senatoren richten. Deren Mitarbeiter, die congressional staffers , nehmen Schlüsselpositionen im Gesetzgebungsprozess ein, nicht zuletzt weil sie im Vergleich zu ihren Chefs länger im Kongress mitarbeiten und entsprechend große Erfahrung sammeln.
Nicht selten wechseln diese federführenden Mitarbeiter beim Antritt einer neuen Regierung auf die Seite der Exekutive – wo sie dann auf Vertreter europäischer Regierungen stoßen, zu denen sie bis dahin keinerlei Arbeitskontakte gepflegt haben. Internationale Partnerschaften leben aber von den persönlichen Netzwerken, die sie tragen. Es ist daher höchste Zeit, die häufig in Festreden gerühmten »transatlantischen Beziehungen« mit Leben zu füllen. Regelmäßiger, offener Gedankenaustausch würde auch helfen, die Interessen anderer zu verstehen und die eigenen zu artikulieren.
Interessengegensätze verstehen
Seit dem Ende des Kalten Krieges ist Europa aus amerikanischer Perspektive in weite Ferne gerückt. Abgesehen von den wichtigen transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen und einigen militärischen Stützpunkten ist der europäische Kontinent keine strategisch relevante Region mehr. Sicherheitspolitisch wird er für die USA auch nur von Interesse bleiben, wenn (!) die Europäer zur Lösung akuter Probleme in anderen Weltregionen beitragen. Das wird kein Sonntagsspaziergang. Konflikte, die sich aus den auseinanderstrebenden Vorstellungen ergeben, müssen offen angesprochen, Gemeinsamkeiten ausgelotet und entsprechende Interessen formuliert werden.
Washington wird viel daransetzen, der mehr oder weniger liberale Hegemon der Weltpolitik zu bleiben, der die Welt nach seinen Vorstellungen und Bedürfnissen ordnet. Zwar üben sich die USA nach den Alleingängen der Bush-Regierung wieder in der Tugend
des multilateralen Austauschs, doch dieses »multilateral« verstehen sie seit jeher instrumentell: 1 Man nutzt internationale Organisationen, etwa die NATO oder die Vereinten Nationen, um Lasten zu teilen. Seit die wirtschaftliche Schieflage und die Schuldenlast die Weltmacht innen- wie außenpolitisch an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gebracht haben, gilt erst recht: Die USA werden mit noch mehr Nachdruck versuchen, die Last globaler Verantwortung auf die Alliierten und Konkurrenten abzuwälzen, sei es über Lastenteilung in der Sicherheitspolitik, Protektionismus in der Handelspolitik oder die gezielte Schwächung ihrer Leitwährung.
Europa muss nach Ansicht Washingtons sicherheitspolitisch mehr Pflichten übernehmen. In der amerikanischen Debatte spielen die Kosten, die mit der globalen Verantwortung verbunden sind, von
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