Der Atem des Jägers
Rooyen, die blonde Frau mit dem großen Busen und
der kleinen blonden Tochter. Eine Frau, über die schon getratscht wurde, als ihr Mann noch am Leben war. Gerüchte von Besuchern,
wenn Rooies fort war, zum Dienst oder an der Grenze.
Und nach Rooies’ Tod gab es bald Ersatz. Dann noch einen. Und noch einen. Sie angelte sie sich in der
Ladies Bar
im
River Hotel
mit rotem Lippenstift und tiefen Ausschnitten. Während das Mädchen mit einem ausgestopften Hündchen im Arm durch den Garten
strich, einem Stofftier, das später so ekelerregend schmutzig wurde, es war ein Skandal.
|422| Die Tratschtanten sagten, der Rooies-Ersatz schlüge Martie und triebe es manchmal nicht nur mit der Mutter. Doch in Upington
wissen viele alles, aber nur wenige tun etwas. Das Sozialamt versuchte sich einzumischen, aber die Mutter jagte sie weg, und
so wurde Christine van Rooyen groß. Traurig und wild. Hatte bald selbst einen Ruf. Locker. Easy. Man redete über das Teenager-Mädchen.
Da war ein alter Freund ihres Vaters, der … Sie wissen schon. Und ein Afrikaans-Lehrer. Es war nicht leicht in der Schule.
Das Kind war schwierig, rauchte und trank mit den Außenseitern, die es an der Schule immer gab, es war eine merkwürdige Stadt,
mit den Soldaten und so. Losper hatte gehört, daß Christine, als sie die Schule fertig hatte, mit einem Koffer das Haus verließ,
während ihre Mutter mit einem Mann im Bett lag. Angeblich ging sie nach Bloemfontein, aber er wußte nicht, was aus ihr geworden
war.
»Und die Mutter?«
Sei auch weggegangen, hatte er gehört. Mit einem Mann in einem Bakkie. Nach Kapstadt. Oder an die Westküste, es gab so viele
Geschichten.
Sie ging vorbei. Drei Häuser weiter trat sie durch ein Gartentor, das beim Öffnen quietschte. Es mußte geölt werden.
Der Garten war voller Unkraut. Sie nahm die Kiste und stellte sie auf die Veranda. Es war jetzt hell.
Im Arbeitszimmer des Priesters hatte sie die Kiste ein letztes Mal zu sich herangezogen und das Geld herausgenommen. Vierhunderttausend
Rand in Hundert-Rand-Scheinen.
»Das ist ein Zehntel«, sagte sie.
»Sie können die Vergebung des Herrn nicht kaufen«, hatte er müde erwidert, konnte seinen Blick aber nicht vom Geld lösen.
»Ich will mir gar nichts kaufen. Ich will bloß geben. Es ist für die Kirche.«
Sie hatte auf seine Antwort gewartet, und dann war er zur Tür gegangen, und sie konnte den Geruch seines Körpers wahrnehmen,
ein Mann roch so nach einem langen Tag.
|423| Sie trat von der Veranda herunter und blieb stehen, um etwas Unkraut auszuzupfen. Die Wurzeln lösten sich aus der roten Erde,
und sie dachte: Hier sieht es fruchtbar aus.
Sie trat über die Stufen. Sie griff nach dem Schild rechts davon, auf dem stand
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. Sie zog daran. Es war tief in den Boden geschlagen und hatte lange dort gestanden. Sie mußte es hin und her rütteln, bevor
es sich langsam zu bewegen begann und schließlich herausziehen ließ.
Sie trug es hoch, legte es auf die Veranda. Dann zog sie ihre Schlüssel heraus und schloß leise die Tür auf. Auf der neuen
Couch lag die schwarze Babysitterin und schlief.
Christine ging durch den Flur ins Schlafzimmer. Sonia lag dort zusammengerollt wie ein Baby, den ganzen Körper um ihren Spielzeughund
geschlungen. Sie legte sich zärtlich neben ihre Tochter. Später, wenn sie gefrühstückt hatten, würde sie Sonia fragen, ob
sie gern das Stofftier gegen ein echtes tauschen würde.
Griessel dachte an Senior Superintendent Beukes, als er zurück zum Gästehaus fuhr.
Sie erlaubten es ihm nicht, an dem Verhör teilzuhaben – Joubert hatte darauf bestanden. Er mußte bei dem enttäuschten Amerikaner
sitzen, Lombardi. Er versuchte ihm zu erklären, daß nicht
alle
Polizisten in Afrika korrupt waren. Hinterher berichtete Joubert ihm. Beukes gab nichts zu. Bis zum Ende, als sie durch Gerichtsbeschluß
seine Kontoauszüge hatten und sie ihm vorlegten. Und Beukes hatte gesagt: »Warum versucht ihr nicht, diese Hure zu finden?
Sie hat das Geld gestohlen. Und über ihre Tochter gelogen.«
Griessel wußte nicht, ob das stimmte oder nicht. Aber jetzt, nach Lospers Geschichte, hoffte er es. Denn er erinnerte sich
an die Worte der Psychologin.
Frauen sind anders. Wenn sie in jungen Jahren ein Trauma erleiden, tun sie das nicht anderen an. Sie tun es sich selbst an.
Er hoffte nur, daß sie das Geld brauchen konnte. Für sich und ihre Tochter.
|424| Sein Handy klingelte,
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