Der Auftrag
murmelte Caelian, weil er plötzlich selbst merkte, wie unglaubwürdig das klang.
»Zum Guten bekehren? So, so. Dann geht ihr also davon aus, dass dieser Prinz, so er existiert, zu diesem Zeitpunkt bereits böse ist?«
»Jaryn weiß es nicht genau. Es kommt wohl darauf an, wie er aufgewachsen ist und ob Razoreth ihn bereits beeinflussen konnte.«
»Es könnte also auch sein, dass er immer noch ein unschuldig reines Herz hat, das überhaupt nicht bekehrt zu werden braucht?«
»Naja«, erwiderte Caelian zweifelnd, »das ist eher nicht anzunehmen. Er müsste sich schon in einer Höhle tief unter der Erde verborgen halten, damit Razoreth ihn nicht findet.«
Auron lächelte. »Du glaubst doch nicht, dass es einem Razoreth unmöglich wäre, ihn auch dort aufzuspüren. Nein, nein, nicht auf das Versteck kommt es an, sondern ob es genug starke und gute Kräfte in seiner Umgebung gibt, die Razoreth widerstehen können.«
Caelian nickte. »Das wäre zu hoffen, aber da wir nicht wissen, wo sich der Prinz aufhält, können wir auch seine Umgebung nicht beeinflussen.« Plötzlich durchfuhr ihn ein Ruck. »Gaidaron!«, stieß er hervor. »Könnte nicht Gaidaron der Gesuchte sein? Er glaubt, es existiere noch ein anderer Thronfolger, aber in Wahrheit ist er es selbst, auf den das Gerücht zutrifft?«
Auron überlegte. »Hm, er ist kein Prinz, aber immerhin der Thronerbe. Vielleicht, ja. Aber ihr brauchtet Beweise.«
»Ich werde Jaryn fragen, was er von dieser Hypothese hält. Dann könnten wir uns gemeinsam daran machen, entsprechende Beweise zu sammeln.«
»Wenn du meinst. Allerdings sehe ich kaum einen Weg, Gaidaron zum Guten zu bekehren. Er ist machtbesessen und starrköpfig.«
»Ja«, flüsterte Caelian, »und ich fürchte ihn.«
»Und doch wäre es nur dir möglich, ihn zu ändern, wenn das überhaupt möglich ist. Auf seine Weise liebt er dich. Er ist ein Gefangener seiner niederen Gefühle, dann überschreitet er Grenzen, weil ihm niemand in den Arm fällt.«
»Seine Liebe ist für mich immer weniger erkennbar. Seit ich mich ihm durch die Reise mit Jaryn für eine Weile entzogen habe, ist seine Wut zerstörerisch geworden. Ich glaube, er würde mich töten, wenn ihn sein Verlangen überkommt.«
»Dann ist es ernst. Ich mache dir einen Vorschlag. Du kannst deine Studien in meinen Räumen fortsetzen, hier wagt er nicht einzudringen. Der alte Auron ist unersetzlich für den Mondtempel.« Er kicherte.
»Das ist sehr freundlich von dir, mehr als ich erwarten darf. Aber was ist denn, verzeih mir, was ist, wenn du sterben solltest?«
Auron schmunzelte. »Dafür habe ich vorgesorgt. Unzählige Stunden habe ich damit verbracht, alles zu nummerieren, zu beschriften und in Listen einzutragen. Meinem Nachfolger werde ich dieses Erbe hinterlassen, er wird sich mühelos zurechtfinden. Natürlich weiß niemand davon, denn ich fühle mich ganz wohl mit dem Gedanken, unersetzlich zu sein.«
Caelian nickte verständnisvoll. Immer mehr Vertrauen fasste er zu dem alten Archivar. »Und doch kann ich dir nicht allzu lange zur Last fallen.«
»Nein, eine endgültige Lösung ist das nicht.« Auron furchte die Stirn. »Du willst dich vor Gaidaron behaupten? Vielleicht solltest du dann den Spieß einmal umdrehen.«
»Was meinst du?«
»Gaidaron sehnt sich nach einer starken Hand, da bin ich mir sicher.«
»Gaidaron?« Caelian lachte spöttisch. »Er will andere knechten, nicht selbst geknechtet werden.«
Auron schüttelte den Kopf. »Meine Menschenerfahrung sagt etwas anderes. Jeder Starke sehnt sich im Grunde seines Herzens nach einem Stärkeren, dem er sich unterwerfen kann, bei dem er sich fallen lassen darf.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Warum sollte er?«
»Weil es die Seele erfrieren lässt, in jeder Situation der Überlegene sein zu müssen, niemals versagen zu dürfen, immer nur stark zu sein in der ständigen Angst, man könne einem stärkeren Rivalen begegnen. Das zermürbt, auch wenn Gaidaron das niemals zugeben würde. Er unterwirft dich, weil es leicht für ihn ist. Er lässt dich seine ganze Machtfülle spüren, berauscht sich an ihr, und er braucht diesen Rausch, um die Angst nicht zu spüren, die hinter allem lauert. Aber wenn es einen Menschen gäbe, dem er völlig vertraut, dann könnte er auch einmal schwach werden und diese Schwäche genießen wie ein Geschenk.«
Caelian dachte eine Weile darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. »Vielleicht gibt es diesen Menschen, ich aber kann es nicht sein.
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