Junger, Sebastian
SEBASTIAN JUNGER
WAR. Ein Jahr
im Krieg
Aus dem amerikanischen Englisch
von Teja Schwaner
Inhalt
Buch eins Angst
Buch zwei Töten
Buch drei Liebe
ANMERKUNG DES AUTORS
Diesem Buch liegen fünf Besuche zugrunde, die mich zwischen Juni
2007 und Juni 2008 ins Korengal-Tal im östlichen Afghanistan führten. Als
»eingebetteter« Reporter war ich, was Kost, Unterkunft, Sicherheit und
Transport betraf, hundertprozentig vom US-Militär abhängig. Abgesehen davon bin
ich niemals - weder direkt noch indirekt - aufgefordert worden, meine Berichte
in irgendeiner Weise zu korrigieren oder meine Notizbücher und Kameras
inspizieren zu lassen. Ich arbeitete mit dem Fotojournalisten Tim Hetherington
zusammen, der ebenfalls fünf Reisen ins Korengal unternahm, teils mit mir,
teils auch allein. Unsere längsten Besuche dauerten einen Monat. Tim und ich
drehten Videomaterial von ungefähr hundertfünfzig Stunden Länge. Das Material
wurde gekürzt von ABC News gesendet und schließlich zur Grundlage eines
abendfüllenden Dokumentarfilms, den Tim und ich produzierten und inszenierten.
Sein Titel lautet Restrepo.
Viele
Szenen in diesem Buch wurden auch auf Video festgehalten, und wann immer es
möglich war, habe ich das Material benutzt, um die Korrektheit meiner
Berichterstattung zu überprüfen. Dialoge oder Zitate, die in doppelter
Anführung wiedergegeben sind (»...«), wurden direkt mit der Kamera
aufgezeichnet oder in mein Notizbuch eingetragen, während die Person sprach
beziehungsweise kurz darauf. Dialoge, an die sich jemand später erinnerte, habe
ich durch einfache Anführung gekennzeichnet (>...<). Einzelne Szenen, bei
denen ich nicht anwesend war, wurden aus Interviews und Videomaterial vollständig
rekonstruiert. Viele Szenen in diesem Buch sind privater Natur, und ich habe
diese Abschnitte mit den beteiligten Männern abgeklärt, um sicherzustellen,
dass sie mit dem, was ich geschrieben habe, leben können. Ich habe einen
unabhängigen Faktenkontrolleur beschäftigt, mit dessen Hilfe ich mich der unvermeidlichen
Irrtümer journalistischer Arbeit erwehren wollte, und eine Bibliografie der
zurate gezogenen Quellen findet sich am Ende des Buchs. In manchen Fällen habe
ich Zitate aus Interviews und Texten gekürzt, um den Leser zu schonen.
Buch eins Angst
»Unter
Feigheit verstehe ich nicht Angst. Feigheit ... ist ein Etikett, das wir uns
für die Handlungen eines Mannes vorbehalten. Was ihm durch den Kopf geht, ist
seine eigene Angelegenheit.«
Lord Moran, The Anatomy of Courage
NEW YORK
CITY - Ein Jahr später
O'Byrne
steht an der Ecke 9 th und 36 lh Street. Er hält zwei
Kaffeebecher in den Händen und hat die Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf
gezogen. Es ist sechs Uhr morgens und sehr kalt. Seit unserer letzten Begegnung
hat er zwanzig Pfund zugelegt, und er könnte ein Arbeiter sein, der darauf
wartet, dass sich die Tore zum Baugrundstück auf der anderen Straßenseite
öffnen. Jetzt, da er nicht mehr in der Army ist, soll ich ihn Brendan nennen,
aber das ist mir so gut wie unmöglich. Wir schütteln uns die Hand, er reicht
mir einen der Kaffeebecher, und wir gehen meinen Wagen holen. Die Verletzung
auf seiner Stirn ist fast verheilt, aber ich kann noch erkennen, wo die
klaffende Wunde genäht worden ist. Einer seiner Vorderzähne ist abgebrochen und
sieht aus wie ein Fangzahn. Er musste eine harte Zeit durchmachen, als er nach
Italien zurückkam; in mancher Beziehung war es für ihn dort gefährlicher als
im Kampfeinsatz.
O'Byrne
war bei der Battle Company im Korengal-Tal im Einsatz gewesen, einem schmalen
Einschnitt im Vorland des Hindukusch im Osten Afghanistans, der zum Schauplatz
außerordentlich brutaler Kampfhandlungen wurde. Er war nur einer von dreißig
Soldaten, schien aber ein besonderes Talent zu besitzen, Dinge in Worte zu
fassen, über die niemand sonst so recht reden mochte. Ich hatte in ihm
allmählich einen Stellvertreter des gesamten Platoons gesehen, jemanden, der
mir das Verständnis für eine Gruppe von Männern vermittelte, die sich meiner
Meinung nach kaum selbst ganz verstanden. Ein Tal weiter nördlich hatten zwei
Platoons der Chosen Company bei ihrem Einsatz eine Verlustrate von ungefähr
achtzig Prozent zu verzeichnen. Die Battle Company hatte es nicht so hart
getroffen, aber doch immerhin schwer genug. Heute Morgen werde ich Justin
Kalenits interviewen, einen Verwundeten aus der Chosen Company, und
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