Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter

Titel: Der Auftrag oder vom Beobachten des Beobachters der Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
Vom Netzwerk:
nahm sie und ihr Team gefangen, indem sie zu einem Jeep geführt wurden, dessen Fahrer, ein Polizist mit Turban im Gegensatz zu den andern weißbehelmten Polizisten, die F. mit einer Handbewegung anwies, sich neben ihn zu setzen, während der Kameramann und der Tonmeister hinter ihr Platz nehmen und der Assistent mit den Geräten einen zweiten Jeep besteigen mußten, dessen Fahrer ein Schwarzer war, auch das Fernsehen folgte ihnen, als sie sich der Wüste näherten, zum Ärger der F., die es vorgezogen hätte, vorerst Erkundigungen einzuziehen, sich aber nicht zu verständigen vermochte, weil, sei es aus Absicht oder aus Nachlässigkeit, kein Dolmetscher zugegen war und die sie mehr herumkom-mandierenden als begleitenden Polizisten nicht Französisch verstanden, was man doch in diesem Lande hätte voraussetzen können, aber auch weil die Fernsehteams außer Rufweite in die Steinwüste hineinpreschten, seitwärts von F.s Jeep, wie denn auch die Wagenkolonne jede Ordnung verlor, so sehr, daß die anderen Wagen samt des Jeeps mit dem Assistenten und den Geräten sich in den Weiten, die in der Sonne kochten, zu zerstreuen schienen, so wie es jedem Fahrer einfiel, je nach Laune, sogar die vier Motorradpolizisten, die ihre Eskorte bildeten, lösten sich vom Jeep, in welchem sie saßen, brausten davon, hetzten einander, knatterten zurück, schlugen weite Bogen, indes die Fernsehteams dem Horizont zuschossen und plötzlich nicht mehr sichtbar waren; dafür aber begann ihr Jeepfahrer unverständliche Laute ausstoßend einem Schakal 22

    nachzujagen, kurvte ihm nach, der Schakal rannte und rannte, schlug Haken, rannte in anderer Richtung weiter, der Jeep ihm nach, einige Male drohte er umzustürzen, dann ratterten wieder die Motorradfahrer heran, schrien, machten Zeichen, die sie, an ihre Sitze geklammert, nicht begriffen, bis sie plötzlich in die Sandwüste gerieten, offenbar allein, ohne ein anderes Fahrzeug zu sichten, sogar die vier Motorradfahrer waren verschwunden, dermaßen fegten sie mit ihrem Jeep über eine asphaltierte Straße, wobei rätselhaft blieb, wie es ihrem Fahrer, der den Schakal nicht hatte überfahren können, möglich gewesen war, diese zu finden, war doch die Straße teilweise mit Sand bedeckt, wobei sich zu beiden Seiten die Sanddünen häuften, wodurch es der F. schien, sie pflügten durch ein von Sandwel-len aufgepeitschtes Meer über das die Sonne immer längere Schatten warf, doch unvermittelt tauchte vor ihnen die Al-Hakim-Ruine auf, die in einer Mulde lag, in die sie unvermutet hinunterrasten, dem Monument entgegen, das, die Sonne verdunkelnd, schwarz vor ihr aus dem Gewimmel von Polizisten und Fernsehleuten aufwuchs, die sich schon vor ihm versammelt hatten, vor einem rätselhaften Zeugen einer unvorstellbar alten Zeit, den man um die Jahrhundertwende gefunden hatte, ein riesiges, durch den Sand spiegelglatt geschliffenes steinernes Quadrat, das sich als die Oberfläche eines Kubus herausstellte, der, als man weitergrub, immer gewaltigere Dimensionen annahm, doch als man ihn gänzlich freilegen wollte, hatten sich Heilige einer schiitischen Sekte, zerlumpte ausgemergelte Gestalten eingefunden, die sich an einer der Kubusseiten niederkauerten, in schwarze Mäntel gehüllt, auf den wahnsinnigen Kalifen Al-Hakim wartend, der nach ihrem Glauben im Innern des Kubus lauerte und jeden Monat, jeden Tag, jede Minute, jede Sekunde hervorbrechen konnte, seine Weltherrschaft zu übernehmen, schwarzen Riesenvögeln gleich hockten sie da, niemand wagte sie fortzutreiben, die Archäolo-23

    gen gruben die drei anderen Seiten des Kubus aus, gerieten immer tiefer, die schwarzen Sufi, wie sie genannt wurden, weit über ihnen, unbeweglich, auch wenn der Wind über sie strich, sie mit Sand überhäufend, rührten sie sich nicht, nur einmal jede Woche von einem riesigen Neger besucht, der auf einem Esel zu ihnen geritten kam, in ihre Mäuler einen Löffel voll Brei schlug und Wasser über sie goß und von dem es hieß, er sei noch ein Sklave, und als die F. sich ihnen näherte, weil ein junger Polizeioffizier, plötzlich des Französischen mächtig, ihr erklärt hatte, Tinas Leiche sei zwischen den »Heiligen« gefunden worden, wie er sich respektvoll ausdrückte, jemand müsse sie zwischen diese geworfen haben, es sei jedoch unmöglich, von ihnen Auskunft zu erhalten, da diese Schweigen bis zur Rückkehr ihres »Mahdi« gelobt hätten, die Unbeweglichen lange betrachtend, die vor ihr in langen Reihen kauerten,

Weitere Kostenlose Bücher