Der aufziehende Sturm
niemals dabei sehen zu lassen. Vermutlich würde er sich auch noch mit ihrem Eintopf davonmachen.
Vanin schüttelte den Kopf, während er wieder die Karte betrachtete. »Jetzt, wo ich so darüber nachdenke«, murmelte er, »könnte es auch der Favlendberg sein ...« Er trabte los, bevor Mat etwas sagen konnte.
Mat seufzte und trieb Pips mit den Fersen an, um zu Talmanes aufzuholen. Der Cairhiener schüttelte den Kopf. Er konnte angespannt sein, dieser Talmanes. Am Anfang ihrer Bekanntschaft hatte Mat ihn für ernst gehalten, nicht dazu fähig, Spaß zu haben. Langsam wusste er es besser. Talmanes war nicht ernst, er war bloß reserviert. Aber manchmal schien ein Funkeln in den Augen des Adligen zu liegen, als würde er trotz des vorgeschobenen Kiefers und der niemals lächelnden Lippen die Welt auslachen.
Heute trug er einen roten Mantel mit goldenem Besatz, und sein Kopf war vorn nach cairhienischer Sitte kahl geschoren und gepudert. Es sah schrecklich lächerlich aus, aber wer war Mat denn, um da ein Urteil zu fällen? Talmanes mochte ja einen schrecklichen Geschmack haben, aber er war ein loyaler Offizier und ein guter Mann. Darüber hinaus hatte er einen ausgezeichneten Geschmack, was Wein anging.
»Schaut nicht so düster drein, Mat«, sagte Talmanes und paffte seine Pfeife. Wo hatte er die überhaupt her? Mat konnte sich nicht daran erinnern, sie je zuvor bei ihm gesehen zu haben. »Eure Männer haben einen vollen Bauch, volle Taschen, und sie haben gerade einen großen Sieg erkämpft. Viel mehr kann ein Soldat doch nicht haben wollen.«
»Wir haben tausend Mann begraben«, sagte Mat. »Das ist kein Sieg.« Die Erinnerungen in seinem Kopf - die, die nicht ihm gehörten - sagten, er solle stolz sein. Die Schlacht war gut gelaufen. Aber da waren noch immer diese Toten, die sich auf ihn verlassen hatten.
»Verluste gibt es immer«, bemerkte Talmanes. »Ihr könnt Euch nicht davon auffressen lassen, Mat. Das passiert eben.«
»Wenn man aber nicht kämpft, gibt es gar keine Verluste.«
»Warum dann so oft in die Schlacht reiten?«
»Ich kämpfe nur, wenn ich es nicht vermeiden kann!«, fauchte Mat. Verfluchte Asche, er kämpfte nur, wenn er es musste. Wenn man ihn umzingelt hatte! Warum schien es jedes Mal zu geschehen, wenn er sich nur umdrehte?
»Was immer ihr sagt, Mat«, sagte Talmanes, nahm die Pfeife aus dem Mund und zeigte damit wissend auf ihn. »Aber etwas macht Euch nervös. Und es sind nicht die Männer, die wir verloren haben.«
Verdammte Adelige. Selbst die, die er leiden konnte, so wie Talmanes, glaubten immer so viel zu wissen.
Natürlich war er jetzt selbst Adeliger. Nur nicht darüber nachdenken, befahl er sich. Talmanes hatte ein paar Tage damit verbracht, ihn als »Euer Hoheit« anzusprechen, bis er die Geduld verloren und den Mann angebrüllt hatte - Cairhiener konnten so pingelig sein, wenn es um den Rang ging.
Als Mat das erste Mal so richtig begriffen hatte, was seine Heirat mit Tuon bedeutete, hatte er gelacht, aber es war ein unglaublich gequältes Lachen gewesen. Und Männer nannten ihn einen Glückspilz. Nun, warum hatte ihm sein Glück nicht dabei geholfen, dieses Schicksal zu vermeiden! Der verdammte Prinz der Raben? Was hatte das zu bedeuten?
Aber im Moment musste er sich erst einmal um seine Männer kümmern. Er warf einen Blick über die Schulter und betrachtete die Reihen aus Kavalleristen, hinter denen die Armbrustmänner ritten. Es waren Tausende von beiden, allerdings hatte Mat ihnen befohlen, ihre Banner zu verstauen. Vermutlich würden sie auf diesem abgeschiedenen Weg nur wenigen Leuten begegnen, aber falls jemand sie sah, wollte er nicht, dass sie viel zu erzählen hatten.
Würden die Seanchaner ihn verfolgen? Er und Tuon wussten beide, dass sie jetzt auf zwei verschiedenen Seiten standen, und sie hatte erlebt, wozu seine Armee fähig war.
Liebte sie ihn? Er war mit ihr verheiratet, aber Seanchaner dachten nicht wie normale Menschen. Sie war bei ihm geblieben, hatte die Gefangenschaft erduldet und nie einen Fluchtversuch unternommen. Aber er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie sich gegen ihn wenden würde, wenn sie es im Interesse ihres Kaiserreiches fand.
Ja, sie würde ihm Männer hinterherschicken, allerdings beschäftigte ihn eine potenzielle Verfolgung nur halb so sehr wie die Sorge, dass sie es nicht sicher nach Ebou Dar zurückgeschafft hatte. Jemand hatte eine ordentliche Summe für ihren Kopf geboten. Dieser seanchanische Verräter, der
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