Der Aurora Effekt
silbernen Rahmen neben seinem iMac und dem Telefon auf seinem Schreibtisch stehen hatte. Gestern war es ein Jahr her, dass Isabel nach Hause kam und ihm mitteilte, dass es nicht mehr ginge mit ihnen beiden. Tags darauf war sie dann ohne die Mitteilung weiterer Gründe ausgezogen. Drei Jahre waren sie bis dahin glücklich verheiratet gewesen und dann war es das einfach so. Schluss – aus – vorbei. Tschüss und weg. Wehmütig schaute er auf das Modell einer Segelyacht, das hinter dem Bild seiner Frau auf dem Tisch stand. Mit so einer Yacht wollten sie immer die Welt umsegeln. Es war ihr großer Traum gewesen. Winter hatte schlecht geschlafen, wie eigentlich jede Nacht seit 365 Tagen.
In der Werbeagentur ››Wunschfabrik‹‹ war es noch ruhig. Die ersten Mitarbeiter erschienen erst kurz nach acht Uhr. Er genoss die erste Stunde voller Ruhe im Büro und als Artdirektor war jetzt seine Zeit der kreativen Ideen, die er dann im Laufe des Tages umsetzten wollte. Die ›Wunschfabrik‹ hatte Ihren Firmensitz direkt im neuen Medienviertel hinter Hamburgs Speicherstadt mit einem fantastischen Blick auf den Hafen. Draußen war es noch dunkel an diesem kühlen Novembertag und man blickte auf ein atemberaubendes Lichtermeer der ankernden und vorbeifahrenden Schiffe. Nachdem Winter seinen Computer eingeschaltet und kurz die eingegangenen Emails überflogen hatte, machte er sich auf den Weg zur einzigen Kaffeemaschine der Agentur. Die reichte auch völlig aus, denn die ›Wunschfabrik‹ bestand aus nur fünf Mitarbeitern. Der Kundenkreis der Agentur war ebenso klein wie erlesen. Peter Falk, der Chef der Agentur, hatte es geschafft, sich lukrative Etats der vom Staat unterstützten Wirtschaft zu sichern. Heute um 15 Uhr stand eine wichtige Präsentation bei dem DLR, dem ›Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt‹, auf dem Programm und Winter musste noch den richtigen Aufhänger für die effektvolle Eröffnung seiner Präsentation finden. Die DLR plante zusammen mit dem ›Max Planck Institut‹ die Entsendung einer neuen, rein deutschen Mondsonde. Das war teuer und musste entsprechend den Politikern verkauft werden, damit diese die mindestens vierhundert Millionen Euro locker machten, die das Projekt verschlingen wird. Und das war nur eine grobe Schätzung, die mit Sicherheit bei weitem übertroffen werden würde. Winters Aufgabe war es, durch entsprechend gestaltete Broschüren das Staatsgeldsäckle anzubohren und somit letztendlich das Geld der Steuerzahler. Gleichzeitig galt es, das gemeine Volk für das sündhaft teure Projekt zu begeistern. Entsprechende Medienarbeit gehörte zum Projektumfang dazu. Es ging um einen Werbeetat in hohem sechsstelligen Bereich, den die Agentur sich natürlich nicht entgehen lassen wollte. Demzufolge musste die Präsentation heute Nachmittag ein Knaller werden.
Mit frisch gebrühtem Kaffee aus dem Automaten begab er sich wieder zurück an seinen Schreibtisch. Gerade als er sich an die Arbeit machen wollten, hörte er ein Geräusch. Als er in Richtung Tür blickte, wurde diese sogleich aufgerissen und ein langhaariger Wirbelwind flog auf ihn zu.
Grußlos schob dieser Winter beiseite. »Ich brauch mal eben fünf Minuten deinen Rechner, ich muss da noch fix ein Update installieren«, begründetet der quirlige Störenfried die Attacke am frühen Morgen.
Frank Stein war der Computertechniker der Agentur und kümmerte sich um das Netzwerk und überhaupt sonst alles rund um den Digital Workflow der Agentur. Mit ungewaschener Bobtail-Frisur, alter Jeans und einem Linux T-Shirt mit dem Spruch ›For the rest of us‹ erfüllte er das Klischee des typischen Computerfreaks.
»Bist du aus dem Bett gefallen, Frank? Es ist grade mal kurz nach sieben, das ist doch sonst nicht deine Zeit.«
»Von wegen, ich habe gleich Feierabend, ich hab `ne Nachtschicht hinter mir, das ganze Netzwerk brauchte ein Update. Wir hatten doch diesen ekeligen Lumos-Virus auf dem Server. Wer den wieder eingeschleppt hat. Aber wie oft hab ich Euch gesagt, dass Ihr keine Email-Anhänge öffnen sollt«, sprudelte es aus Stein nur so heraus.
Ein süßlicher Geruch stieg in Winters Nase, Stein hatte sich garantiert eine Woche nicht mehr geduscht. Aber das kannte man auch nicht anders von Ihm. Letzte Woche diskutierten zwei seiner Kolleginnen darüber, ob sie Stein zum nächsten Geburtstag nicht mal ein Duschgel schenken sollten.
»Verdammt viele Stecker hast du hier«, kam es unter seinem Schreibtisch hervor, als Stein
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