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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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fremdartigen Schnörkeln versehenen Menschenknochen.

67. KAPITEL
    M ittwoch, 30. April – 20:45 Uhr
    Während sie weiter die Flöte und deren geheimnisvolle Schnörkel studierten, nahm der Regen an Heftigkeit zu und prasselte trommelnd gegen die Fensterscheiben. Dröhnende Donnerschläge ließen das ganze Gebäude erzittern. Sebastian zog die Vorhänge zu, und als er dann zum Sofa zurückkam, auf dem Meer saß, ging das Licht aus.
    Schlagartig war es stockdunkel. Meer merkte, wie Sebastian wieder aufstand. Sie hörte, wie er etwas umstieß und unterdrückt schimpfte, und dann drang ihr unverwechselbarer Schwefelgeruch in die Nase.
    Plötzlich flammte Kerzenschein auf, der Sebastians Gesicht und die unmittelbare Umgebung erhellte – Licht aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort. Es hätte das 19. Jahrhundert sein können, der Mann mit dem Kerzenhalter Major Wells. Aber, so mahnte sich Meer, so war es nicht. Denn Sebastian ging hinüber zum Telefon und nahm das Gerät aus der Basisstation.
    “Kein Freizeichen”, murmelte er. “Na ja, ist ein schnurloses Telefon. Das kann bei Stromausfall nicht funktionieren. Ob es hier in der Suite noch einen Wandanschluss mit Kabel gibt?”
    “Ist mir nicht aufgefallen. Aber oft gibt es einen im Badezimmer.”
    Sebastian ging mit der Kerze hinein und rief: “Stimmt, hier ist ein Telefon.”
    Meer konnte hören, wie er eine Nummer wählte und etwas auf Deutsch sagte. Dann kam er zurück. “Stromausfall im ganzen Viertel”, meldete er. “Straßen- und U-Bahnen fahren auch nicht. Vermutlich Blitzschlag. Ich gehe mal runter und hole noch ein paar Kerzen.”
    Schon zur Tür gewandt, blieb er stehen, ging zu Meer zurück und nahm neben ihr Platz. “Bitte verstehen Sie, dies hat mit uns nichts zu tun. Keiner weiß, dass wir hier sind, aber trotzdem: Machen Sie niemandem die Tür auf, ja? Ich nehme den Schlüssel mit.”
    Meer war mit einem Male, als sei sie schon früher mit ihm im Dunkeln hier gewesen. Als habe er schon einmal dort in der Tür gestanden – nur eben in einer anderen Zeit. Auch damals hatte er ihr ein Versprechen abgenommen, wenn auch ein anderes.
    Nein!
Er
doch nicht!
    “Sie sehen eine andere Zeit, nicht wahr?”
    Sie nickte.
    “Bin ich auch da?”
    “Nein, Sie nicht.”
    “Aber jemand, der mit mir in Verbindung steht?”
    “Ich bin nicht sicher”, wich sie aus.
    “Und Sie möchten es auch nicht herausfinden?”
    “Nein.” Das wurde ihr erst in dem Moment klar, in dem sie es sagte. Und noch etwas anderes wurde ihr klar. Doch das behielt sie für sich.
    “Wer es auch gewesen sein mag: Er hat Ihnen etwas Schreckliches angetan, nicht wahr? Hat er Sie gekränkt? Ist das vielleicht der Grund dafür, dass Sie sich immer in dem Moment verschließen, wenn ich den Eindruck habe, als wollten Sie sich mir anvertrauen?”
    “Vielleicht”, flüsterte sie.
    “Von Ihrem Vater und von Fremont Brecht habe ich erfahren, dass wir hier sind, um diesmal das Richtige zu tun. Wir kehren zurück in denselben Kreis von Menschen und bekommen Gelegenheit, alles besser zu machen, nicht dieselben Fehler zu begehen. Ich würde Sie nie verletzen, Meer. Im Gegenteil. Ich möchte Ihnen helfen und Gefahren von Ihnen abwenden.” Er streckte die Hand aus und strich ihr in einer zärtlichen Geste das Haar aus der Stirn.
    Ihre widerstreitenden Gefühle mahnten sie, sich von ihm fernzuhalten – und gleichzeitig verführten sie sie, ihm nachzugeben. Als sie weder das eine noch das andere tat, bedachte er sie mit einem herzzerreißenden, kläglichen Lächeln, das ihr bis ins Mark ging.
    “Ich bin gleich wieder da”, murmelte er. “Okay?”
    Sie nickte.
    Während er fort war, blieb Meer im Halbdunkeln sitzen. Was sie und Sebastian da erlebten, war genau das, von dem ihr Vater schon des Öfteren gesprochen hatte: Etwas, das die Gnostiker, die Schüler von Pythagoras, die Urchristen, Heiden und Kabbalisten und schließlich auch Jung als Prinzip eines sogenannten Seelenbewusstseins bezeichnet hatten. Die Menschen, so hatte Jeremy ihr jahrelang auf unterschiedliche Weise zu erklären versucht, seien Teil eines umfassenden kosmischen Bewusstseins. Seelen, die sich über die Epochen verbunden fühlten und über Jahrtausende hinweg zusammengewachsen waren, erlangten mit der Zeit die Fähigkeit, durch dieses Seelenbewusstsein miteinander in Verbindung zu treten, und zwar auch ohne Worte. Als Meer in dem Alter war, um diese Betrachtungsweise zu verstehen, da hatte sie sie zuerst für

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