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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.J. Rose
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entzündete er die mitgebrachten Kerzen. Während das Zimmer allmählich heller wurde, verstärkte sich der Paraffinduft und erfüllte die Luft mit einem Aroma, das in Meer längst untergegangene Erinnerungen wach werden ließ.
    Sebastian kam herüber und nahm neben ihr Platz. “Würden Sie denn nicht auch wer weiß was dafür geben, um das Lied der Erinnerungen zu finden?”, fragte er forschend. “Um endlich zu erkennen, was sich hinter all den Bildfragmenten verbirgt, von denen Sie schon seit Ihren Kindertagen verfolgt werden?” Die abgrundtiefe Traurigkeit in seinen Augen war nahezu unerträglich.
    Er kannte sie nicht gut genug, um zu ahnen, wie weit sie gegangen wäre, um ihre Erinnerungen zum Schweigen zu bringen. Er dachte eben an seinen Sohn, an Nicolas in seinem Krankenzimmer, kaum ansprechbar und der Wirklichkeit entrückt. Nicolas, der jenes gehetzte Kindergesicht zeichnete und dabei das jüdische Totengebet vor sich hinsummte.
    “Wenn ich Sie anleiten würde”, sagte sie, “würden Sie dann versuchen, mich zu hypnotisieren?”
    “Brauchen Sie nicht”, wehrte er ab. “Ich weiß, wie das geht. Als Rebecca mir verboten hat, Nicolas von einem Hypnotiseur behandeln zu lassen, da hat Dr. Aldermann es mir beigebracht. Sie ist ebenfalls Mitglied der Gesellschaft für Erinnerungsforschung.” Er stockte. “Trotzdem – sehr freundlich von Ihnen, dass Sie das alles für mich tun.”
    “Für Nicolas”, berichtigte sie.
    Einem Erfolg der Hypnosesitzung stand eigentlich nichts im Wege. Sebastians Stimme war angenehm; Tonlage und Anweisungen entsprachen dem, was Meer von Malachai gewohnt war. Dazu anheimelndes Licht dank Stromausfall und Kerzen sowie keinerlei störende Nebengeräusche, die ein Versinken in einen Zustand tiefster Entspannung hätten verhindern können.
    Nur hielt etwas ihr Bewusstsein derart im Klammergriff, dass sie zu sehr verkrampfte und der schonungslosen Wirklichkeit nicht zu entfliehen vermochte. Nach drei Versuchen gab Sebastian auf. “Ich glaube, es funktioniert nicht”, meinte er. “Sie sind zu verspannt.”
    Sie erhob sich von der Couch und trat an den Flügel. Die Flöte ruhte auf der samtbezogenen Bank; sie schimmerte im Kerzenschein.
    “Tut mir leid”, flüsterte sie, ohne die Flöte aus den Augen zu lassen.
    Sebastian ging hinüber zur Minibar, öffnete den kleinen Kühlschrank und nahm ein Viertelliterfläschchen Weißwein heraus. “Noch kalt genug”, befand er, öffnete den Drehverschluss und schenkte zwei Gläser ein. “Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir. Hauptsache, wir haben die Flöte; alles andere wird sich finden.”
    Während Meer am Weinglas nippte, ließ sie den Blick verstohlen zum dem uralten Knocheninstrument schweifen, als wolle sie es mit schierer Gedankenkraft zwingen, sein Geheimnis preiszugeben.
    “Haben Sie sich jemals gefragt, was Nicolas’ Zusammenbruch ausgelöst haben könnte?”
    “Ich habe eine vage Ahnung. Aber genau wird man es wohl nie sagen können.”
    “Sie denken, er hat den Kinderschädel gesehen, den der Gärtner damals im Steinhof freigelegt hat?”
    Sebastian bejahte. “Nicolas war da … alle Kinder waren da … Sie haben draußen gespielt. Rebecca denkt das sicherlich auch, aber jedes Mal, wenn ich sie darauf anspräche, reagiert sie gleich irrational und abwehrend. Als wäre sie schuld, nur weil sich alles auf ihrem Terrain abgespielt hat …” Den Blick ins Nichts gerichtet, brach er ab und schenkte Wein nach. Geraume Zeit saßen sie stumm nebeneinander.
    Als Meer eine Stunde später erwachte, stellte sie fest, dass sie nach wie vor auf der Couch saß, im Kopf noch die Musik, die sie bereits ihr ganzes Leben hörte. Sie erkannte die Melodie, als wäre sie ihr schon immer vertraut. Lächelnd schlug sie die Augen auf, dachte sie doch, nun sei sie endlich in der Lage, das Lied zu spielen, und damit habe alles ein Ende. Doch in den wenigen Sekunden zwischen erstem bewussten Gedanken und Augenöffnen verblasste die Erinnerung an die Melodie.
    “Sie sind eingeschlafen”, bemerkte Sebastian, der am Tisch eine Orange schälte. “Gerade noch nippten Sie am Wein, und von einem Moment auf den anderen fielen Ihnen die Augen zu.” Er wies auf Teller mit Käse, Brot, Wurst und Obst. “Ich habe uns etwas zu essen geholt. Sie sind doch sicher ganz ausgehungert.”
    Sie hatte zwar keinen Hunger, wusste aber, dass sie etwas zu sich nehmen musste. Mehr als ein wenig Käse und eine halbe Orange

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