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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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die junge Dame, die die Eintrittskarten verkaufte, bemerkte, dass jemand die Ausstellungsstücke berührt hatte, würde sie ganz bestimmt die Polizei alarmieren. Schon regte sich bei Meer das schlechte Gewissen. Als jemand, der selber in einem Museum arbeitete, wusste sie ja, dass Exponate grundsätzlich unantastbar waren. Sie zog den Mantel wieder aus und hängte ihn behutsam zurück an seinen Haken.
    Alles war wieder so, wie es zum Zeitpunkt ihres Kommens gewesen war. Alles – bis auf die merkwürdige Idee, die Meer nun im Kopfe herumspukte: Einst hatte sie sich mit diesem Mantel verkleidet, um einem Spitzel zu entgehen.

54. KAPITEL
    D ienstag, 29. April – 17:06 Uhr
    Als Meer mit Sebastian in den dichten Wienerwald hinaufwanderte, erblickte sie noch eine weitere Postkartenidylle: eine im Tal grasende Ziegenherde, eine grob aufgeschichtete Steinmauer und eine etwa zehn Meter hohe, sicher recht gefährliche Steilkante mit einem malerischen Felsvorsprung darüber. Von dort aus bot sich ein umfassender Blick auf die gesamte Stadt. Genau so hatte Meer sich Baden vorgestellt, als Sebastian das Städtchen erstmals erwähnt hatte.
    “Man kann von hier oben überall hinsehen, ohne selber von unten gesehen zu werden”, bemerkte er leise. Zu ihrer Überraschung spürte Meer seine Hand auf ihrer Schulter. “Nicht so nah an den Rand!”, mahnte er. “Der Vorsprung ist ungesichert. Es hat schon Abstürze gegeben.”
    “Der Tod im Wienerwald”, sinnierte Meer. “Johann Strauss wäre untröstlich.”
    “Zumal der Wiener Walzer ja als Flucht vor dem Tod galt. Nun, es ist hier genug Tragisches passiert, dass ein Komponist auch eine traurige Version der Geschichten aus dem Wienerwald schreiben könnte. Schloss Mayerling liegt ganz in der Nähe. Schon mal davon gehört?”
    Meer verneinte.
    “Im Jahre 1889, in seinem Jagdschloss nur wenige Kilometer von hier, erschoss der österreichische Thronfolger Kronprinz Rudolf von Habsburg erst seine Geliebte, die Baronesse Maria Freiin von Vetsera, und dann sich selbst. Er war verheiratet, sie erst siebzehn. Das Schloss beherbergt jetzt ein Kloster. Aber die Einheimischen behaupten, die Geister des Liebespaars gingen noch immer hier in der Gegend um.”
    “Dann hat mein Vater wohl nicht übertrieben, als er erzählte, die Wiener hätten eine besondere Beziehung zum Tod. Und Sie selber erwähnen Geister auch nicht zum ersten Mal. Glauben Sie etwa daran?”
    “Über Geister oder ein Leben nach dem Tode habe ich mir nie den Kopf zerbrochen – bis Nicolas …” Sebastian brach den Satz ab und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. “Wir müssen weiter. Es bleibt uns höchstens noch eine Stunde Tageslicht.”
    Nachdem sie den Felsvorsprung hinter sich gelassen hatten, wandte Meer sich nach rechts, Sebastian aber nach links.
    “Nein, hier lang!”, rief er.
    “Können wir nicht auch diesen Weg nehmen?”
    “Den da kenne ich nicht. Der Hauptwanderweg führt hier entlang. Ich möchte nicht, dass wir uns verlaufen.”
    “Tun wir schon nicht.”
    “Woher wollen Sie das wissen?”
    Meer hob die Schultern. “Wollen wir’s nicht einfach drauf ankommen lassen?”
    Es ging noch einige Zeit bergauf, und nach einer weiteren Wegbiegung gelangten sie an eine gelb getünchte offene Kapelle mit einem nahezu lebensgroßen holzgeschnitzten Kruzifix darin. Davor stand ein primitiver, von Maria-und Joseffiguren flankierter Steinaltar.
    Sie waren aber doch mitten im Wald! Meer starrte auf den Andachtsort wie auf eine Erscheinung.
    “Hier war ich schon mal …”, flüsterte sie. Langsam bewegte sie sich in den Schatten des Bauwerks, sank auf die Knie und fuhr mit der flachen Hand über den Boden direkt vor der Wand. Die Augen fest geschlossen, versuchte sie, noch einmal durch die Zeit rückwärts zu schauen, doch es gelang ihr nicht. Sie hatte keine Ahnung, welche Bedeutung dieser Ort einst für sie gehabt haben mochte. Dennoch ließ sie die Hand wieder und wieder über den Boden gleiten, als könnte sie ihm so eine Botschaft entlocken.
    “Meer! Was tun Sie da?”
    Sie wandte sich um, wollte es Sebastian schon erklären, doch genau in dem Moment setzte eine Rehgeiß quer über den Pfad, gefolgt von einem Rehbock. Reisig knackte unter den Läufen, verrottende Laubschichten raschelten unter den Tritten.
    “Was suchen Sie denn da?”, forschte Sebastian.
    “Das weiß ich selber nicht so genau. Aber ich glaube …” Ihre Stimme war um eine ganze Oktave gesunken und klang so dunkel wie das

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