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Der Beethoven-Fluch

Der Beethoven-Fluch

Titel: Der Beethoven-Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.j. Rose
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Instrumentenmacher und galten als Ketzer – behaupteten sie doch, die Musik ihrer Flöten und Trommeln habe lindernde und heilende Wirkung. Die zwei stellten eine Bedrohung dar für die alten Bräuche und Sitten und wurden in der Stadt deswegen geschmäht. Und jetzt war einer von ihnen tot.
    Während das Klagegeheul immer mehr anschwoll, frischte der Wind auf. Eine Böe wirbelte die Asche des Verstorbenen auf und wehte sie Chandra ins Gesicht, der trauernden Witwe, die gerade die glimmenden Reste mit Milch beträufelte. Erstickt den Atem anhaltend, betastete sie mit den Fingerspitzen bestürzt das graue Pulver auf ihrer Haut. Eine Träne löste sich aus ihren Wimpern und zog eine Spur durch das Aschengrau.
    Nach Ohanas Gefühl war das Verhalten der Trauerweiber die pure Heuchelei. Chandra beispielsweise hatte ihren Mann wegen seines ketzerischen Gedankenguts vor Jahresfrist aus dem Haus geworfen, der eigene Vater ihn mitsamt dem Bruder als Aufrührer bezeichnet. Und nun spielten alle die Gramgebeugten.
    Während die Frauen weiter den Scheiterhaufen mit Milch besprengten, fegte ein noch heftigerer Windstoß Devadas’ ältester Tochter die Asche mitten ins Gesicht. Sie hustete und spuckte mehrmals aus. Wäre dasselbe Ohana passiert – sie hätte es dankbar hingenommen wie eine göttliche Weihe.
    “Und nun rasch, das Wasser!”, mahnte Devadas’ ältliche Mutter, die ihre drei Enkelinnen Stufe für Stufe durch die Zeremonie geleitete. “Beeilt euch, ehe der Wind ihn ganz hinwegweht!”
    Sobald der zweite Krug leer und alles Wasser verbraucht war, ergriff Chandra den zerschrammten Holzstecken und stocherte damit durch den schlammigen Brei, um die Knochen von der Asche zu trennen. Wie eine Lumpensammlerin klaubte die älteste Tochter die größeren, noch feuchten Brocken auf, Überreste von Muskeln, Gewebe und Sehnen, und gab sie in eine irdene Schüssel. Die Jüngste sammelte derweilen die schon etwas abgekühlten Knochen ein.
    Aus ihrem Versteck beobachtete Ohana, wie Chandra die Schüssel nahm und die Asche in den dahinströmenden Fluss schüttete, während die anderen Trauergäste sich wartend um die restlichen Knochen scharten. Wenngleich sie eigentlich keine Trauer zeigen sollten, stießen alle außer der Alten auch weiterhin ihr Klagegejammer aus.
    “Er reist auf dem Pfade des Lichtes!”, rief die Mutter des Ermordeten. “Zu viele Tränen”, fügte sie mahnend hinzu, “verbrennen die Toten!”
    Mit dunkelblauem und rotem Faden – blau für den Nachthimmel, rot für Blut – band sich nun jede der sieben Frauen die Frucht der Schattenmorelle ums Handgelenk. Nacheinander traten sie anschließend an den steinernen Feuerofen, wischten sich die Hände mit Apamarga-Blättern und stellten sich im Kreise auf, um sich sodann mit geschlossenen Augen im Rhythmus der rauschenden Wellen hin und her zu bewegen.
    “So hebe dich denn von hinnen!”, leierte die Matriarchin. “Nimm neue Gestalt an und lasse fahren all deine alten Glieder. Lasse dich nieder an einem Ort deiner Wahl, auf dass Savita dir dorten Heimstatt errichte. Dies ist deiner Knochen einer; sei mit dem dritten glorreich verbunden, und sobald alles Gebein wieder eins ist, mögest du schön sein an Gestalt und weilen an einem erhabenen Ort, von allen Göttern geliebt.”
    Während die Weiber die Gebeine ein letztes Mal wuschen, überlief Ohana ein Frösteln. Denn sie erinnerte sich an das Gefühl, als diese Knochen noch lebendes Gewebe trugen, noch alle umschlossen waren von Fleisch, das sich sehnend an ihren Körper schmiegte. Es war nicht recht, dass diese Frauen in aller Öffentlichkeit um ihren Liebsten trauern durften, während sie selber ihm die letzte Ehre nur im Verborgenen erweisen konnte.
    Chandra füllte die Knochenreste in einen irdenen Krug, trug diesen hinüber zum Sami-Baum und hängte ihn, auf Zehenspitzen gereckt, an einen hohen Ast, den sie gerade noch mit den Händen erreichen konnte.
    Erst danach zogen die Klageweiber ab.
    Ohana verfolgte, wie sie kleiner und kleiner wurden und schließlich ihrem Blick in der Ferne entschwanden. Die Sonne tauchte hinter den Horizont; bis der Mond aufging, konnte es noch einige Zeit dauern. Ein milchiges Grau senkte sich über den Abend; die Luft wurde kühler. Weiterhin schwappten die Wellen ans Ufer, doch das Gebimmel war verstummt, das Klagegeheul der Weiber so weit entfernt, dass man es kaum noch hörte. Endlich war dieser grauenhafte Tag vorbei, die Verbrennungszeremonie nahezu vollendet bis auf

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