Mitternachtsfalke - Auf Den Schwingen Der Liebe
Kapitel 1
Der Mitternachtsfalke stand an der Klippe. Die kühle, salzige Meeresbrise wehte ihm ins Gesicht und eine dichte Wolkendecke verfinsterte die mondlose Nacht noch weiter.
‚Gut so‘, dachte der Falke.
Sein Blick wanderte zu den Männern, die unten am Strand ihrem heimlichen Treiben nachgingen.
„Schnell Alan - fass mit an!“
Gemeinsam rollten sie die Fässer über den Sand und der Schweiß lief ihnen trotz der Kühle der Nacht den Rücken hinunter. Ein ums andere Fass aus dem Bauch der vor Anker liegenden Deathwhisper wurde an den Strand gerudert, die steilen Klippen hinaufgeschafft und in einer der vielen Höhlen versteckt.
Schwer atmend zogen die dunklen Gestalten schließlich die Ruderboote an den Strand.
„Rein damit. Los, schafft die Bretter her“, gab einer an.
Mit einem dumpfen Laut verschwanden die Boote in der mit Holz verkleideten Vertiefung, bevor Bretter darüber gelegt und mit Sand bedeckt wurden. Innerhalb weniger Augenblicke war von dem Versteck nichts mehr zu erahnen.
„Fertig, wie steht es mit dem Rum?“, fragte einer.
„Noch zwei Fässer, dann ist es geschafft.“
„Schnell jetzt! Und dann nichts wie weg!“
Mit vereinten Kräften wurden die letzten Waren in die Höhle geschafft und das geschäftige Treiben erstarb.
In Kürze würde es keinen Anhaltspunkt mehr für die Aktivitäten dieser Nacht geben.
Am Strand flammte für einen Moment ein Licht auf. Der Falke war zufrieden. Er bückte sich, hob seine eigene Blendlaterne an und öffnete kurz die metallene Klappe. Eine rasche Abfolge von Leuchtsignalen wurde erwidert, dann kehrte Ruhe ein. Der Strand lag schwarz und verlassen vor ihm. Das Schiff aus der Karibik war schon lange am Horizont verschwunden. Die Männer würden ungesehen zurück in die Betten ihrer Familien schlüpfen, wo man bereits sorgenvoll auf ihre Rückkehr wartete.
Jede dieser Aktionen war für die Männer des Falken ein hohes Risiko. Ihr Treiben war inzwischen zum Ärgernis für Lord Nathan Hayes geworden. Darum mussten sie besonders vorsichtig sein, um unentdeckt zu bleiben.
Nun, da die Gefahr vorüber, seine Männer in Sicherheit und die Waren gut verstaut waren, legte sich eine bleierne Müdigkeit über den Falken.
Am liebsten hätte er sich der dunklen Kutte, die seine Identität verbarg, entledigt. Seine tief ins Gesicht gezogene Kapuze abgestreift und die ledernen Stulpen an den Handgelenken aufgeschnürt, um sich in den kühlen Wellen des Atlantiks Erfrischung zu verschaffen. Doch bald schon würde die Morgendämmerung hereinbrechen und damit stieg auch für ihn die Gefahr der Entdeckung. Es war an der Zeit, zu verschwinden. Er stieß einen spitzen Pfiff aus, hob die rechte Hand und wartete. Wenige Augenblicke später brach ein Falke durch die Wolkendecke, drehte eine große Runde und landete dann sanft auf dem ihm dargebotenen Arm. Die messerscharfen Krallen gruben sich in die dicke Lederstulpe seines Herrn.
„Hallo, mein lieber Freund. Danke für deine Hilfe heute Nacht.“
Der Vogel neigte den Kopf und ließ sich das Gefieder kraulen. Am zarten Fußgelenk des Raubvogels war eine kleine silberne Röhre befestigt, in welche Nachrichten gesteckt werden konnten. Der Maskierte zog einen Zettel aus der Röhre, hob den Arm und der Vogel flog davon. Kraftvoll drehte das prachtvolle Tier am nächtlichen Himmel seine Kreise. Der Mitternachtsfalke faltete das Papier auseinander und lächelte zufrieden.
In zwei Tagen also!
Um die Botschaft zu zerstören, öffnete er kurz seine Blendlaterne und sah zufrieden zu, wie die Flammen hungrig das Papier verschlangen. Ebenso wie der Vogel, verschwand nun auch der Mitternachtsfalke ungesehen in der Dunkelheit.
Kapitel 2
„Meine liebe Julia, ich weiß nicht, wie lange Ihr mich noch hinhalten wollt. Meine Geduld ist bald am Ende“, schimpfte Gregory Gisbourne mit seiner Verlobten.
Julia seufzte. Sie hatte keine Lust das leidige Thema schon wieder zu diskutieren. Seit Wochen schon schob sie die Antwort auf Gregorys drängende Frage vor sich her. Eigentlich fand sie, dass man solche Dinge nicht im Flur besprach.
„Gregory, ich danke Euch für den Aufschub, den Ihr mir gewährt habt. Natürlich kann ich Euer Drängen verstehen, aber ich habe immer von einer Hochzeit im Garten geträumt; von blühenden Rosen und einer Trauung unter dem Pavillon, während die Sonne unseren Bund segnet. Wäre das nicht wundervoll?“
Julias leidenschaftlich vorgebrachte Bitte würde Gregory unter normalen Umständen
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