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Der Bernsteinring: Roman

Der Bernsteinring: Roman

Titel: Der Bernsteinring: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Räumlichkeiten. Wollen wirmal hineinschauen? Die beiden ersten haben mich nicht so überzeugt mit ihren nachgemachten englischen Knietabletts und falschen Ming-Vasen.«
    »Das kannst du wohl sagen. Der sieht gut aus. Auf geht’s!«
    Er war geschmackvoll eingerichtet. Nicht die qualvolle Enge alter Stilmöbel und Berge von halbantikem Krimskrams überwältigten uns, sondern eine gepflegte Auswahl kleiner, wunderbar erhaltener oder restaurierter Schränkchen und Vitrinen, Tische, dekoriert mit hübschem altem Porzellan, Gläsern und natürlich auch dem notwendigen Nippes. Wertvollere Kleinigkeiten standen hinter Glas. Rose steuerte zielgerichtet auf eine Auswahl alter Uhren zu und begutachtete sie intensiv. Wir waren im Augenblick fast alleine. Lediglich ein weiterer Kunde unterhielt sich mit der Verkäuferin über die Bestickung von Stuhlpolstern, und eine ältere Dame strich mit liebevoller Geste über die seidige Oberfläche eines Rosenholz-Sekretärs. Sie schien mit sich zu ringen, ob sie sich das kostbare Stück leisten konnte. Natürlich würde sie es kaufen, egal um welchen Preis. Ihr Gesichtsausdruck sagte mir das.
    Ich stöberte ebenfalls ein wenig herum. Porzellan zog mich an, und ein paar schöne japanische Teeschalen, alt, die Glasur von wunderbarer Tiefe, wie sie nur die großen Meister durch mehrfaches Glasieren und Brennen herzustellen wussten, begeisterten mich. Ich erfreute mich daran, besitzen wollte ich sie allerdings nicht.
    Der Kunde mit der Polsterstickerei verließ den Laden, die Verkäuferin, eine rothaarige, flachbusige Frau mit flinken, dunklen Augen heftete sich an die Dame vor dem Rosenholz-Sekretär und begann, ihr die Qualität in meiner Meinung nach viel zu dick aufgetragenen Worten zu schildern. Meine geringe Erfahrung in diesemGeschäft sagte mir, dass es die falsche Art war, eine noch unschlüssige, aber im Grunde begeisterte Interessentin zum Kauf zu animieren. Sie hätte sie in Ruhe lassen sollen.
    Ich kehrte ihnen den Rücken zu und betrachtete einige Emailarbeiten, kleine Tabak- und Pillendöschen, Medaillons und Gürtelschnallen. Jene im Art-Deco-Stil verführten mich fast, dafür Geld auszugeben.
    »Nein, ich überlege es mir lieber noch mal in Ruhe!«, sagte die ältere Dame mit Panik in der Stimme und entwandt sich dem Zugriff der Verkäuferin. Beinahe fluchtartig verließ sie den Laden. So vertrieb man Kunden. Als nächstes Opfer wählte die Rothaarige meine Schwester Rose, die inzwischen drei Uhren zur Auswahl auf einen Tisch gestellt hatte. Mit einem Ohr hörte ich zu, um notfalls einschreiten zu können, aber dann wurde meine Aufmerksamkeit auf eine Vitrine mit altem Schmuck abgelenkt. Wunderschöne Granatcolliers lagen darin, einige brillantbesetzte Schleifenbroschen, zwei Fabergé-Anhängerchen in Form von Veilchen und Maiglöckchen, ein halbes Vermögen wert, Gemmen mit zierlichen Motiven, ein prächtiger, wenn nicht gar protziger Rosenkranz mit einem goldenen Kreuz, verschiedene Ringe.
    Ein Ring. Ein goldener Ring, schlicht und ohne Zierrat die Fassung, wie ein Tropfen goldener Lindenhonig darin ein halbrund geschliffener Bernstein. Das Licht des Strahlers fiel auf ihn, und in der Tiefe des versteinerten Harzes schimmerte ein Einschluss auf – Ästchen, die sich in Form eines Kreuzes übereinander gelegt hatten.
    »Rose!«, rief ich, und meine Stimme klang seltsam erstickt.
    Sie drehte sich sofort um und ließ die beredte Verkäuferin mitten im Satz stehen.
    »Was ist, Anita? Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Doch vollkommen. Aber dieser Ring hier. Der mit dem Bernstein...«
    »Kennst du ihn? Was ist damit?«
    »Der Traum, Rose, den ich nach der Narkose hatte. Darin spielte ein solcher Ring eine entscheidende Rolle.«
    »Lass ihn dir herausholen. Sie!«, rief meine ansonsten etwas schüchterne Schwester herrisch der Verkäuferin zu. »Kommen Sie bitte mal her. Wir würden uns ein Schmuckstück gerne näher ansehen!«
    Diesen Ton war die Dame offensichtlich nicht gewöhnt, sie näherte sich betont langsam und mit säuerlichem Gesicht. Ich musste ein Kichern unterdrücken.
    »Das sind ausgesprochen wertvolle Exponate, meine Damen.«
    »Das zu erkennen fällt mir nicht schwer«, antwortete ich ihr in dem gleichen hochnäsigen Tonfall. »Der Bernsteinring dort jedoch wird kaum meine Möglichkeiten überschreiten. Holen Sie ihn bitte heraus, damit ich ihn prüfen kann.«
    »Dazu muss ich erst den Schlüssel holen.« Sie drehte sich um und rief in scharfem Ton nach hinten:

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