Der Bernsteinring: Roman
begann, abgezeichnet hatte.
»Ich entsinne mich, Sie sind ziemlich überstürzt aufgebrochen, Frau Kaiser. Möglicherweise hat er seinen Namen nicht auf dem Abholschein hinterlassen. Vermutlich hat er ihn noch nicht einmal mitgenommen«, versuchte der junge Mann hilfreich zu erklären.
»Wie würde er denn dann die Uhr zurückbekommen?«
»Die Frage ist, ob er sie bereits abgeholt hat...«
»Ach Gott, ja, er ist an jenem Tag noch nach Rom geflogen. Sie könnte sogar noch hier sein. Liegt in Ihrer Werkstatt etwa eine herrenlose Uhr herum?«
»Nein, bestimmt nicht, aber ich sehe eben mal die Posten durch, die noch auf ihre Abholung warten.«
Er verschwand in der Werkstatt, und ich nahm meine Visitenkarte aus der Tasche und legte sie der hilf sbereiten Dame auf die Theke.
»Sollte der Herr sich hier noch einmal einfinden, wäre es sehr nett, wenn Sie ihm diese Karte geben würden. Und könnten Sie ihre Kollegin auch bitten, mich nach ihrem Urlaub einmal anzurufen.«
»Machen wir, Frau Kaiser. Man wird in unserem Beruf nicht jeden Tag zum Postillon d’ amour ernannt.« Sie lächelte verschmitzt. »Ein lupenreiner Diamant sollte er wohl schon sein, Ihr Valerius, da Sie sich solche Mühe machen.«
»Es ist eine lange und nicht ganz einfache Geschichte damit verbunden. Sie läuft aber ganz einfach darauf hinaus, dass ich ihn wieder finden muss. Tut mir Leid, Ihnen nicht mehr dazu sagen zu können.«
»Schon gut, Liebelein.« Die typische Kölnerin verstand. »Sie sagen, er ist an jenem Tag noch nach Rom geflogen? Versuchen Sie es am Flughafen, eventuell finden Sie ihn auf der Passagierliste.«
»Daran habe ich nicht gedacht. Danke für den Tipp.« Der junge Mann kam zurück und zuckte bedauernd mit den Schultern.
»Keine herrenlose Uhr, kein Valerius, noch nicht einmal ein Kunde, der seinen Vornamen mit V. abkürzt. Tut mir Leid.«
Mein nächstes Ziel lag nicht weit entfernt – der Flughafen in Wahn. Ein kurzer Blick auf die Abflugzeiten sagte mir, dass montags um 1 7.15 Uhr ein Flug der Germania nach Rom ging. Alle anderen Termine passten nicht, dieser aber machte Sinn. Ich begab mich zum Counter der Airline und versuchte mein Glück.
Was die Herrschaften im Juweliergeschäft an Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft bewiesen hatten, wurde hier ins Gegenteil verkehrt. Man hatte zwar Passagierlisten, natürlich. Aber meinen Freund suchen zu helfen, um den ich mich sorgte, weil er sich nicht meldet, dazu sah man sich außer Stande. Es gab Vorschriften, ich müsse verstehen. Und wenn er sich angeblich nicht meldete, dann solle ich eine Vermisstenanzeige aufgeben. Die junge Dame, deren Namensschild sie als Bettina Wolf auswies, wies sich selbst als Zicke im Wolfspelz aus. Ihr war überdeutlich anzumerken, dass sie, selbst wenn sie Valerius eigenhändig das Ticket ausgestellt hätte, mir nicht die gewünschte Auskunft erteilen würde, weil sie Frauen nicht ausstehen konnte, die hinter Männern herliefen, die vermutlich aus gutem Grund das Weite gesucht hatten.
Deprimiert fuhr ich noch einmal zurück nach Marienburg und kreuzte durch die Straßen. Vergeblich.
Und dann hatte gestern Frau Berger netterweise angerufen.
«Sie hat sich an Valerius und mich selbstverständlich erinnert«, sagte ich zu Rose und Cilly.«Unser Auftritt war bemerkenswert. Aber seinen Namen hat er ihr nicht genannt, sie hat ihm den Abholzettel gerade noch in die Hand drücken können, bevor er mit mir aus dem Laden gegangen ist. Die Uhr ist dann am Freitag derselben Woche abgeholt worden. Von einer jungen Chinesin, sagt sie.«
«Ach du lieber Gott! Das Reich der Mitte soll ziemlich groß sein«, bemerkte Cilly.
«Aber seine Vertreter sind in Köln nicht ganz so zahlreich. Wusste sie wenigstens, wie die junge Dame hieß? Ich meine, sie wird Valerius doch wohl zumindest so gut kennen, dass er sie seine Botengänge machen lässt.«
»O ja, sie hatte einen Namen, Rose. Du wirst es nicht glauben, die Asiatin hört auf den guten kölschen Namen Schmitz.«
»Heiliger Vitus und Sankte Anne!«, stöhnte Rose theatralisch. »Du bist von feindlichen Kräften umringt, die nicht wollen, dass Valerius und du zusammenkommen.«
»Den Eindruck habe ich auch langsam. Ich frage mich, ob ich die ganze Sache nur geträumt habe. Wie eine dieser Geschichten, die wir uns hier erzählen. Wahrscheinlich täte ich ganz gut daran, Carls Werben nachzugeben. Er ist wenigstes ein verlässlicher, greifbarer Mann mit Adresse und Telefonnummer, nicht so ein
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