Der Bronzehändler
Klumpen der Furcht im Magen wurde größer. Er spreizte die Beine, stemmte sich in die Haltetaue und schrie:
»Achtung! Die zweite Welle! Rebideka ...!«
Eine Woge, die von innen heraus zu kochen schien, traf das Schiff, als es endlich den Bug gehoben und sich auf einen Wogenkamm hinaufgequält hatte, in der Mitte des Hecks. Der harte, krachende Schlag erschütterte Deck und Planken. Ein zischender Wasserfall traf die Steuermänner, teilte sich, drückte das Heck unter Wasser, schwemmte an den Seiten der Bordwand zum Mast und flutete gischtend zurück. Plötzliche Helligkeit blendete ihn, schien Jehoumilqs Worte Lügen zu strafen: In den grauen, tiefhängenden Wolken hatte sich ein gezackter Spalt gebildet.
Eine breite Bahn Sonnenlicht schob sich über das Meer und zeigte eine glitzernde Fläche scheinbar niedriger Wellen, von denen der Sturm Schaum und Tropfen waagrecht wegriss; eine endlose Reihe graugrüner Kämme und messerscharfer Kanten, die, wenn Karidon blinzelte, grau wie gemeißelter Schiefer aussahen, mit Lichtfunken auf den Gischtkämmen. Die Pausen zwischen den Brechern, dem schauerlichen Ächzen und Knirschen der Planken und den kalten Wassergüssen waren so kurz, dass jedes Denken unmöglich war.
Der winselnde Messes brachte eisige Luft mit sich; der sonnenhelle Fleck auf dem Meer huschte von Nordost nach Südwest und zeigte, zwei oder drei Atemzüge lang, die Klippen vor Kap Thirr, einen Teil der Inselküste und rechts neben dem Bug die drei Inseln; gischtende Brandung schien Karq, Mynder und Shorph zu verschlingen. Das freundliche Sonnenlicht und die Hoffnungen auf das Abklingen des Sturms nördlich des Kaps erloschen im selben Atemzug; eine steile, fast schwarze Wellenwand raste mit überhängender Spitze heran, als die Horus fast waagrecht durch zischende und prasselnde Wellenkämme schnitt.
»Cabul!« Jehoumilqs heisere Stimme hallte übers Deck, als im Zischen und Jaulen des Sturms eine trügerische Pause eintrat. »Die dritte Welle! Schöpft, Männer! Das Wasser muss aus dem Schiff! Bet zu deinen Göttern, Nedji! Jetzt bringt uns dieses Hurenmeer um ...«
Plötzlich fiel Dunkelheit über das Schiff. Das ohrenbetäubende Heulen schnitt jedes Wort ab und erstickte mit lähmender Furcht jeden Gedanken. Wieder versuchte Karidon sich an der Pinne festzuhalten, stemmte die Fußsohlen auf die Planken und lehnte sich in den Haltetauen zurück. Die Horus hob ihre vordere Hälfte aus dem Wasser und schien schneller zu werden. Karidon blickte kurz über die Schulter, duckte sich und schloss die Augen, als die Todeswoge nur noch vier Schritt vom Heck entfernt war. Ihr oberer Teil fegte waagrecht mit vernichtender Wucht vom Heck zum Bug, riss einen Teil der geschnitzten Lotosblüte im Rücken der drei Steuermänner ab und schmetterte ihn gegen Jehoumilqs Schulter. Der Kapitän schrie und fluchte, schüttelte sich und richtete sich wieder auf. Der Wogenkamm gischtete an den Seiten des Rumpfes hoch, beide Wasserwände berührten sich in der Höhe des Mastes, und die Woge lief unter dem Schiff hindurch und hob den langen Rumpf einige Atemzüge lang über Wellen und Gischt, riss, schlug und rüttelte am Bug und ließ die Horus ins Wellental fallen. Karidon knickte in den Knien ein, seine Hände glitten von der Pinne ab, er fiel nach vorn. Das nasse Holz schlug in seine Achseln; er schrie auf. Der Hieb gegen seine Brust hatte ihm den Atem aus den Lungen gepresst; er röchelte, taumelte und stemmte sich, ohne zu denken und zu fühlen, wieder in die Höhe.
»Sie ... hat ... uns ... nicht ... umgebracht«, brüllte Jehoumilq. »Mehr nach Backbord, Kari!«
Karidon blickte nach links. Das Gemisch aus Schweiß und Salzwasser rann durch die Brauen in seine Augen. Holx spie noch immer; seltsamerweise stand er aufrechter als der Kapitän und zog an der Ruderpinne. Die Besatzung im Kielraum schöpfte seit zwei, drei Stunden ununterbrochen; dennoch lag die Horus viel zu tief im Wasser. Karidon holte tief Luft. Als er sich umdrehte, glaubte er zu sehen, dass sich das Meer ein wenig beruhigt hatte. Er misstraute, obwohl er nur noch auf ein Ende des mörderischen Seeganges hoffte, dieser Änderung und sah einige Augenblicke lang nach rechts und links Wassergüsse aus den Luken über die Bordwände spritzen.
»Sei verflucht, Großes Grünes.« Holx-Amr hatte seine Stimme halbwegs wiedergefunden. Er röchelte und wischte sich Speichel und Schleim vom Kinn. »Mir ist so übel wie noch nie. Bei Ptah und Month! Warum muss
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