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Der Bronzehändler

Der Bronzehändler

Titel: Der Bronzehändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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beschwert.
    »Draußen warten Sklaven«, sagte der Bote leise und schüttelte den Kopf. »Prinzessin Hathor-Iunit und Ikhernofret haben viele Schriftrollen in den Räumen der jungen Halbschwester gefunden.«
    »Tama-Hathor-Merit?« Der Priester richtete den Blick aus großen Augen auf Dschai und lächelte. Die Blicke und die Bewegungen der dünnen Finger zeigten, dass der Verstand des Priesters keineswegs so hinfällig war wie der schmale Körper. »Die schöne junge Frau konnte schreiben? Erstaunlich. Weißt du, was sie geschrieben hat?«
    Dschai-Anpuhotep zuckte mit den Schultern. Der Brustschmuck klirrte leise. »Ikhernofret und Cha-Osen-Ra bitten dich, die Worte zu lesen. Tamahat, so nannte sie Karidon, hat viel über ihn geschrieben. Die Jahre des Goldhorus sind mit den Fahrten der Bronzehändler schicksalhaft verbunden, sagen Ikhernofret und sein Djadjad. Du füllst viele Rollen über den Großen Chakaura und die guten Jahre des Hapilandes. Vielleicht, sagt Ikhernofret, erhellt die eine oder andere Rolle das Geschehen jener Jahre und macht es den Nachfolgenden besser begreifbar.«
    »Sind es viele Rollen?«
    »Zwölf solch großer Krüge voll.« Dschai-Anpuhotep deutete auf gemauerte Bänke, überquellende Nischen und Körbe auf dem glänzenden Boden. »Du schreibst selbst, mein Vater?«
    »Das meiste. Wenn meine Augen müde werden, hilft mir ein junger Schreiber. Lass die Krüge hereinbringen. Stellt sie dort ab.« Merire wies mit dem Binsengriffel auf eine Steinbank. »Du bist rechtzeitig gekommen. Ihr habt die Shafadurollen früh genug gefunden – noch berichte ich vom Jahr Eins des Goldhorus.«
    Dschai-Anpuhotep ging in die Hitze hinaus, winkte den Sklaven und wartete, bis sie den Raum wieder verlassen hatten. Der Priester stemmte sich an der Tischkante hoch und folgte dem Boten auf die Terrasse. Bienen und metallisch leuchtende Fliegen summten in den Weinranken an der Mauer. Das Äffchen hockte auf dem Widderkopf, fraß einen Granatapfel und drehte den Männern das Hinterteil zu.
    »Dort hinten, wo Rauch aufsteigt, ist die Küche. Schick einen Sklaven hin; sie sollen kaltes Bier und Wasser und Tücher bringen. Ich danke dir – sag Tatji Ikhernofret, der älter und lederzäher ist als ich, er möge mich besuchen. Wenn es seine kostbare Zeit erlaubt.«
    Dschai-Anpuhotep verbeugte sich, legte die Hand auf die Brust; Merire-Hatchetef nickte und verzog die schmalen Lippen. Er sah hinter Dschai her, blickte zum Kanal, zur palmengesäumten Dammstraße und zum neuen Teil des Palasts, dann streckte er sich auf der Liege aus. Er verschränkte die Arme im Nacken und genoss die Hitze, die seine Haut durchdrang und die Knochen wärmte. Nachdem Priesterschüler Wasser, Tücher und Bier gebracht hatten, ging er ins kühle Zimmerchen, blieb unschlüssig vor den wiedergefundenen Binsenmarkrollen stehen und zog, die Schultern zuckend, eine Rolle heraus. Er lehnte sich im knarzenden Stuhl zurück und begann zu lesen; als er den rot geschriebenen Anfang des vierten Kapitelchens erreicht hatte, überzog ein Lächeln ferner Erinnerungen sein Gesicht.

    ICH, MERIRE-HATCHETEF, Priester des Ptah, Month und der Sachmet zu Itch-Taui, der das Geheime im Tempel und im Palast kennt, bester Schreiber zwischen den Stromschnellen und dem Großen Grünen, bin vom Herrscher berufen worden, alles niederzuschreiben auf sonnengebleichten Shafadurollen, was sich in der langen Zeit zutrug, über deren bronzenen Jahren der glänzende Name des dritten Chakaura strahlt. Chakauras Vater, der nun in der Sonnenbarke segelt, führte mit seinem prächtigen Goldhorus-Namen die beiden Lande der Rômet zu neuer Größe und Macht, wie es seit Ewigkeiten vor ihm nur wenige Gottherrscher vermochten. Ich schreibe selbst mit zwei Fingern:
    Nachdem ich nun zurückgekehrt bin in den kühlen, sicheren Schutz des Großen Tempels, habe ich lange zu den Göttern der Schreibkunst gebetet: Thot in seiner Erscheinung als Pavian und Imhotep als Schreiber blicken aus Mauernischen auf mein Tun. Die rote und schwarze Tusche in den Schälchen, fein angerieben und gemischt, enthält in jedem Tröpfchen – wie meine Erinnerungen, Gefühle und Gedanken – Asche und Schweiß, Goldstaub und Sand, Wasser, Bier und Wein; vermischt und blasig gerührt ist sie mit fernen Echos nächtelanger Gespräche. Der Tau der Wehmut und des Lachens schlugen sich in den Schälchen nieder und das Blut vieler Verwundeter und Toter. Vermengt ist die Tusche mit dem Staub vieler Namen, durch Leid

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