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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wissen, das kleine Fäßchen ... Wird das für die Meerschweine oder für die Officiere aufgehoben?
    – Nun ...? sagt Robert Kurtis.– Wir verlangen jeden Morgen wie sonst gewöhnlich unseren Schluck.
    – Nein, antwortet der Kapitän.
    – Sie sagen ...? ruft Owen.
    – Nochmals: Nein!«
    Der Matrose blickt Robert Kurtis scharf an und ein boshaftes Lächeln umspielt seine Lippen. Er zaudert einen Augenblick, ob er seine Forderung wiederholen soll, doch zieht er sich, ohne ein Wort hinzuzufügen, zurück und mischt sich unter seine Kameraden, mit denen er heimlich spricht.
    Hat Robert Kurtis wohl recht daran gethan, jenes Verlangen so rundweg abzuschlagen? Das wird die Zukunft noch lehren.
    Als ich ihn über die Sache sprach, antwortet er mir:
    »Diesen Leuten noch Branntwein? Lieber werfe ich das Fäßchen in's Meer!«

XXXIV.
    Am 21. December. –
    Jener Zwischenfall hat, wenigstens bis heute, weitere Folgen noch nicht gehabt.
    Während einiger Stunden zeigen sich die Seebrassen wieder längs des Flosses, und wieder erlangt man eine große Anzahl derselben. Man schichtet sie in ein leeres Faß ein, und dieser Zuwachs an Nahrungsmitteln läßt uns hoffen, daß wir wenigstens vom Hunger verschont bleiben werden.
    Der Abend ist gekommen, doch ohne die gewöhnliche Frische. Gewöhnlich sind nämlich dieNächte in den Tropen kühl, die heutige droht aber erstickend zu werden, und schwere Dunstmassen steigen langsam aus den Fluthen. Um ein Uhr dreißig Minuten früh wird Neumond sein. Tief dunkel bleibt es auch bis zu dem Augenblicke, da ein fernes Wetterleuchten anfängt, den Horizont zu erhellen.
    Es treten lang und breit hinschießende elektrische Entladungen auf, welche ungeheure Strecken in Flammen setzen. Von Donner ist aber keine Spur, und die ganze Luft erscheint vielmehr erschreckend ruhig.
    Zwei Stunden lang, während der wir immer nach einem minder glühenden Lüftchen schmachten, betrachten Miß Herbey, André Letourneur und ich jene Vorläufer eines Ungewitters, gewissermaßen die Vorversuche der Natur, und vergessen ganz unsere augenblickliche Lage über der Bewunderung des großartigen Schauspiels eines Kampfes zwischen den mit Elektricität geschwängerten Wolken. Man hätte hohe, mit Feuer bekrönte Zinnen zu sehen vermeint. Auch der roheste Mensch ist für diese furchtbaren Scenen empfänglich, und so wie wir, sehe ich auch die Matrosen nach der unaufhörlichen Feuererscheinung in den Wolken aufschauen. Ohne Zweifel betrachten sie diese »Streiflichter«, wie sie wegen ihrer fortwährenden Ortsveränderung nicht selten genannt werden, als Vorboten eines elementaren Kampfes nicht ohne eine gewisse Unruhe. Was wird auch aus dem Flosse werden, mitten zwischen der Wuth des Himmels und des Wassers?
    Bis Mitternacht bleiben wir so am Hintertheile sitzen. Die leuchtenden Ausströmungen, deren Helligkeit die dunkle Nacht verdoppelt, übergießen unsmit einem lividen Scheine, ähnlich der Farbe, welche die Gegenstände annehmen, wenn die Flamme von Alkohol, in dem Kochsalz gelöst war, sie beleuchtet.
    »Fürchten Sie sich vor dem Gewitter, Miß Herbey? fragt André Letourneur das junge Mädchen.
    – Nein, mein Herr, antwortet Miß Herbey, das Gefühl in meinem Inneren möchte ich lieber das der Ehrfurcht nennen. Ist jenes nicht eine der prachtvollsten Erscheinungen, die wir nur je bewundern können?
    – Nichts wahrer als das, Miß Herbey, antwortet ihr André, und vorzüglich, wenn der Donner grollt. Kann das Ohr ein majestätischeres Geräusch hören, und was ist dagegen die trockene, kurze Stimme unserer Geschütze? Der Donner ergreift die ganze Seele; er ist weniger ein Geräusch, als ein Ton, der an- und abschwillt, wie die getragene Note eines Sängers, und wenn ich offen sein soll, Miß, so hat mich niemals eines Künstlers Stimme so ergriffen, als diese große, unvergleichliche Stimme der Natur.
    – Ja, ein tiefer Baß! sage ich lächelnd.
    – Wirklich, antwortet André, möchten wir ihn bald zu hören bekommen, denn diese stummen Blitze sind effectloser.
    – Meinen Sie das, mein lieber André? Hab' ich ihm erwidert. Ertragen Sie das Unwetter muthig, wenn es da ist, doch wünschen Sie es nicht herbei.
    – Nun, aber das Gewitter ist uns gleichbedeutend mit Wind!
    – Und mit Wasser, fügt Miß Herbey hinzu, mit Wasser, an dem es uns gebricht!«
    Den jungen Leuten wäre wohl noch Manches zu erwidern gewesen, ich mag aber meine nüchterne Prosa nicht in die Poesie ihrer Stimmung hineinmischen. Sie

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