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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nähert. Robert Kurtis hat schon vor mir dieselbe Beobachtung gemacht. Diese heimlich geführten Gespräche mißfallen ihm, und nimmt er sich vor, auf jene Leute ein wachsames Auge zu haben. Der Neger Jynxtrop und der Matrose Owen sind bekanntermaßen zwei Spitzbuben, denen man nicht viel trauen darf, da sie die Anderen gern zu verführen suchen.
    Am 19. wird die Hitze ganz unerträglich, und zeigt sich kein Wölkchen am Himmel. Der schwache Luftzug schwellt die Segel nicht mehr, das Floß bleibt auf einer Stelle. Einige Matrosen sind in's Meer gegangen, und dieses Bad hat ihnen eine thatsächliche Erleichterung verschafft, indem es ihren Durst einigermaßen verminderte. Doch ist es nicht ungefährlich, sich in die von Haifischen unsicher gemachten Wellen zu wagen, und Keiner von uns hat Lust verspürt, es jenen Leichtsinnigen nachzuthun. Wer weiß, ob sich das in Zukunft nicht ändert? Wenn man das unbewegte Floß sieht, die langen ungefurchten Wellen des Oceans, das schlaffe Segel am Maste, liegt da nicht die Befürchtung nahe, daß diese Verhältnisse lange Zeit so fortdauern könnten?
    Die Gesundheit des Lieutenant Walter flößt uns von Tag zu Tag mehr Sorge ein. Der junge Mann wird von einem schleichenden Fieber verzehrt, das ihm in regellosen Anfällen zusetzt. Vielleicht vermöchte schwefelsaures Chinin dasselbe zu unterdrücken. Doch, ich wiederhole es, das Oberdeck ist so rasch verschlungen worden, daß der Arzneikasten dabei mit verloren ging. Uebrigens leidet der junge Mann offenbar an der Verzehrung, und hat diese unheilbare Krankheit seit einiger Zeit in ihm reißendeFortschritte gemacht. Schon die äußerlichen Symptome setzen das außer Zweifel. Walter quält sich jetzt mit einem trockenen Husten, sein Athem ist kurz, und vorzüglich gegen Morgen befällt ihn ein reichliches Schwitzen; er magert sichtlich ab, seine Nase wird spitzer, die hervorstehenden Backenknochen stechen durch ihre umschriebene Röthe von dem bleichen Gesicht auffallend ab; seine Wangen sind hohl, die Lippen etwas verzogen, die Bindehaut des Auges leuchtend und schwach bläulich gefärbt. Doch selbst wenn der Lieutenant jetzt noch in besseren Zuständen wäre, dürfte sich die Heilkunst ohnmächtig erweisen gegenüber einem Leiden, das kein Erbarmen kennt.
    Am 20. – Derselbe Zustand der Atmosphäre, dieselbe Unbeweglichkeit des Flosses. Die Sonnenstrahlen durchdringen auch unser Zelt, und wir schmachten und seufzen bei der unbändigen Gluth. Mit welcher Ungeduld erwarten wir den Augenblick, in dem der Bootsmann die schmale Wasserration vertheilt, und mit welcher Gier verschlingen wir dann die wenigen Tropfen der lauwarmen Flüssigkeit! Wer niemals vor Durst am Verschmachten war, vermag sich diese Höllenqual gar nicht vorzustellen.
    Der Lieutenant Walter ist sehr verdurstet und leidet schwerer von diesem Wassermangel, als irgend ein Anderer. Ich hab' es gesehen, daß Miß Herbey ihm fast die ganze empfangene Ration überließ. Das gefühlvolle und mitleidige junge Mädchen thut alles Mögliche, um die Leiden unseres unglücklichen Genossen wenn nicht zu stillen, so doch zu lindern.
    Heute sprach mich Miß Herbey auch selbst an.
    »Dieser Unglückliche wird tagtäglich schwächer, begann sie.
    – Ja, Miß, habe ich ihr geantwortet, und wir können Nichts für ihn thun, gar Nichts!
    – Vorsichtig, bittet Miß Herbey, er könnte uns hören!«
    Dann setzt sie sich ganz an das Ende des Flosses und ergiebt sich, den Kopf in den Händen, ihren Gedanken.
    Auch noch etwas recht Bedauerliches ist heute vorgekommen, was ich nicht übergehen darf.
    Eine Stunde lang standen die Matrosen Owen, Flaypol, Burke und der Neger Jynxtrop in eifrigem, aber heimlich geführtem Gespräche zusammen, wobei sich ihre Erregtheit durch die lebhaftesten Gesticulationen verrieth. Nach Beendigung desselben begiebt sich Owen ganz ohne Umstände nach dem für die Passagiere reservirten Hintertheile des Flosses.
    »Wohin willst Du, Owen? fragt ihn der Hochbootsmann.
    – Dahin, wo ich etwas zu thun habe«, antwortet frech der Matrose.
    Bei dieser unverschämten Antwort verläßt der Hochbootsmann seinen Platz, doch schon vor ihm steht Robert Kurtis Owen Auge in Auge gegenüber.
    Der Matrose erträgt den zornflammenden Blick seines Vorgesetzten und beginnt mit frechem Tone:
    »Kapitän, ich habe mit Ihnen im Namen meiner Kameraden zu sprechen.
    – Rede, erwidert Robert Kurtis kurz und bündig.
    – Es handelt sich um den Branntwein, fährt Owen fort. Sie

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