Der Chaos-Pakt
Haaren ihn sah, hob sie kurz die Hand und Nylan erwiderte den Gruß, bevor er sich zur Straße umdrehte.
Nach der schweißtreibenden Arbeit kaum abgekühlt, betrat Nylan den Schwarzen Turm durch die Haupttür. Im trüben Licht im Inneren blinzelte er zunächst, dann atmete er tief durch, als er das frische Brot, das Blynnal gebacken hatte, roch – und noch etwas anderes. Mit Minze gewürzter Eintopf, dachte er, wahrscheinlich aus den Resten des Hirschs gekocht, den Ayrlyn vor zwei Tagen erlegt hatte, nachdem ein Frühlingssturm etwas Neuschnee gebracht hatte.
»Nylan?« Istril, die ihren Sohn Weryl auf dem Arm trug, winkte ihm von der linken Seite des Eingangsbereichs aus zu, wo inzwischen eine Art Kinderkrippe entstanden war.
Er drehte sich um und ging zu ihr.
Ihr Gesicht war leicht gerötet, als wäre sie draußen in der Kälte gewesen. Auch Weryls Gesicht war rot.
»Wart ihr draußen?«, fragte Nylan.
»Wir sind mit Siret und Kyalynn zu den Ställen gegangen. Ydrall hat uns begleitet, aber sie hat die ganze Zeit gefroren. Kyalynn und Weryl haben nur geplappert.« Istril lächelte ihren Sohn an. »Die Kälte scheint ihn kaum zu stören.«
»Nachdem du ihn so dick eingepackt hast, dürfte er nicht viel davon spüren.«
»Ich bin froh, dass Ihr noch eine Schneekatze erlegen konntet. Wenn ich das Fell gegerbt habe, kann ich einen schönen Parka daraus machen.«
»Der nach ein oder zwei Jahren schon wieder zu klein ist«, lachte Nylan.
»Da!«, mischte Weryl sich ein und deutete mit pummeliger Hand auf seinen Vater.
»Du auch da«, sagte Nylan, während er seinen Sohn auf den Arm nahm. Er musste wieder an die Umstände denken, die dazu geführt hatten, dass drei der vier zuerst in Westwind geborenen Kinder von ihm waren, obwohl er nur mit Ryba geschlafen hatte.
»Wir werden noch fünf Lämmer bekommen«, erklärte die silberhaarige Istril leise.
»Hast du wieder deine Fähigkeiten als Heilerin erprobt?«
Weryl zog mit erstaunlich festem Griff an Nylans Zeigefinger. Nylan lächelte seinen Sohn an.
»Je mehr Heiler wir haben, desto besser. Ihr und Ayrlyn schafft nicht alles allein und was soll werden, wenn Ihr selbst einmal verletzt seid wie in der großen Schlacht mit den Truppen aus Lornth und Gallos?«, erwiderte Istril.
»Ich bin froh, dass du deine Fähigkeit weiterentwickelst.«
»Die Marschallin auch. Ihr Arm war schwer verletzt.«
»Davon kann man jetzt fast nichts mehr sehen.«
»Sie wird immer noch schnell müde, wenn sie mit den Schwertern übt, aber sie hat es fast überwunden«, erklärte Istril.
»Sie ist trotz der Verletzung schneller als alle anderen.«
»Mit Ausnahme von Euch und Saryn. Ihr seid so schnell wie sie, aber Ihr legt keinen Wert darauf, Euren Gegner zu töten. Saryn dagegen ist gefährlich wie die Marschallin.« Istril hob die Arme, um Weryl wieder zu übernehmen. »Ihr müsst jetzt essen. Er hat schon etwas bekommen.«
»Und was ist mit dir?«, fragte Nylan, während er seinen Sohn an Istril übergab und die kleine Hand von seinem Zeigefinger löste.
»Antyl wird auf ihn aufpassen, während ich esse.« Istril lächelte warm und brachte ihren silberhaarigen Sohn wieder in die Kinderkrippe.
Nylan drehte sich um und blieb sofort wieder stehen, weil er beinahe eine der Köchinnen über den Haufen gerannt hätte.
»Seid gegrüßt, Ser.« Blynnal nickte freundlich. Hochschwanger, wie sie war, hatte sie Mühe, die großen Körbe mit frisch gebackenem Brot von der untersten Etage aus der Küche in den Speisesaal zu schleppen.
Nylan hatte keinen Zweifel, wer der Vater war. Blynnal hatte Relyn geradezu verehrt, bevor der Einarmige aus Westwind geflohen war, um Rybas Zorn zu entgehen. Relyn hatte sich um die hübsche, aber schüchterne Köchin große Sorgen gemacht. Sie war eine der wenigen Frauen in Westwind, die keinen Wert darauf legten, die Klinge zu erheben und die männliche Vorherrschaft in Candar zu bekämpfen.
Nachdem er Blynnal an den vorderen Tischen entlang gefolgt war, bog er ab und ließ sich auf seinem gewohnten Platz am Ende der Bank des ersten Tisches nieder. Das Feuer im Ofen zu seiner Rechten war erloschen, aber dank der Wärme, die von der Küche drunten heraufkam, und der restlichen Wärme, die noch von dem holzbefeuerten Heizofen ausstrahlte, war es im großen Saal erträglich.
Saryn setzte sich Nylan gegenüber, Huldran ließ sich links neben Nylan nieder. Ayrlyn, deren flammend rotes Haar beinahe von innen heraus zu leuchten schien, setzte sich dem
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