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Der Chefarzt

Titel: Der Chefarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Argirov Valentin
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Lisa einstellte.

5
    In seinem unruhigen Schlaf meinte Josef Glücklich, Handschellen zu fühlen. Sein ausgestreckter Arm berührte die Glasplatte des Nachtkastens.
    ›Dieser Mann in meinem Bett ist ein Fremder‹, sagte sich Rosemarie, während sie mit leisen Schritten umherging und ihre Schwesterntracht anzog. Sie hatte Tagschicht, von sieben bis drei.
    Die Bettücher waren zerwühlt, ein blasser Sonnenstrahl kam mit Glücklichs unrasiertem Gesicht in Berührung. Für einen kurzen Augenblick glaubte sie, ein Augenzwinkern zu bemerken, das die List dieses Gesichts verriet. Sie betrachtete ihn mit einem langen, mißtrauischen Blick. Er schlief. Eine Zeitlang glaubte sie, sie liebe ihn. Inzwischen hatte sie ihn fürchten gelernt. Der Mann hier hatte ihr zu viel versprochen. Seine Versprechungen waren, wie seine Liebe, eine Lüge.
    Diese Feststellung, vor dem Hintergrund ihres neuen Reichtums ohne Bedauern getroffen, verstärkte ihre Ungeduld, ihn loszuwerden. Gleich ermahnte sie sich zur Vorsicht und, wie oft, verglich sie ihn verängstigt mit einer Schlange.
    Es gibt kein unterschiedliches Moralgesetz für hübsche und häßliche Frauen. Von ihrem Äußeren war Rosemarie angetan. Sie fand ihre Haare prachtvoll, die Nase schön und ihre Figur nicht übel. Glücklich gegenüber hatte sie nicht mehr und nicht weniger getan als jede andere, die seinen Versprechungen glaubte. Die meisten Worte im Dunkeln lassen sich abstreiten, nicht so die Leidenschaft. Wenn er aus Leidenschaft gelogen hätte, hätte sie es ihm verziehen. Jetzt war sie unerbittlich.
    Wenn sie nur den Kerl los wäre. Worauf wartete er noch? Sie rückte ihren Straps zurecht und sah in plötzlichem Haß sein ahnungsloses Gesicht: ›Ich könnte ihn anzeigen, natürlich anonym. Denn umsonst hockt er nicht die ganze Zeit im Zimmer, er fürchtet die Polizei.‹ Mit Haarnadeln befestigte Rosemarie vorm Spiegel ihre Haube und ging.
    Da öffnete Glücklich ein Auge und grinste zur Türe. Einen Augenblick lang war er wieder der Junge, der auf der Straße Blindekuh spielte.

6
    Leopoldine Stein erzählte sehr gern ihre Geschichte: Sie war früher mit einem jüngeren Mann verheiratet, der sie vergötterte. Sie war nach ihm verrückt gewesen, zumindest am Anfang. Ein sanfter, verschlossener Mann, fügte sie hinzu. Er hatte ganze Abende mit ihr kein Wort gesprochen. Seine größte Freude bestand darin, jegliche Art hausfraulicher Tätigkeit auszuüben. Sie durfte zu Hause nichts anfassen. Immer wieder bat sie ihn, mit ihr zu sprechen. Er lächelte sie nur an. Im dritten Jahr war sie am Ende, glaubte selbst zu spinnen und verging vor Langeweile.
    Fast ausnahmslos fügte Leopoldine hinzu: »Wenn Menschen, wie ja bei ihrem kleinbürgerlichen Bewußtsein zu erwarten ist, heiraten, zerstören sie die Liebe binnen eines Jahres.«
    Aus Diskretion oder Schamgefühl verschwieg sie zwei Dinge: daß ihr Mann seidene Damenstrümpfe feinster Qualität getragen hatte und ihr jetziges Leben.
    Wenn sie in Versuchung geriet, dieses Leben mit einem Tunnel zu vergleichen, in dem sie endlos lange gegangen war, dann sah sie jetzt Licht: Völlig überraschend bekam sie die Stelle der Oberschwester auf der Pathologie. Professor Thimm, bei dem sie, bevor die Entscheidung fiel, vorstellig wurde, schien sich ihrer nicht mehr zu erinnern und zeigte sich von ihren Zeugnissen beeindruckt. Bald sah sich Leopoldine vor eine ungewöhnliche Aufgabe gestellt. Bei ihrer Arbeit hatte sie keinen direkten Kontakt mehr zu kranken Menschen. Sie mußte für einen reibungslosen Tagesablauf der verschiedenen Labors sorgen und Thimms Personalpolitik durchführen. Sie überwachte die Vorräte und sorgte für Nachschub, sie hielt ein Auge auf das Wirtschaftsbüro, wo ihr der Mann, der die Einkäufe tätigte, gleich unkeusch vorkam. So erfuhr Leopoldine, daß das Organisieren ihre Stärke war, die Arbeit bereitete ihr Spaß und nach wenigen Tagen fühlte sie sich hier heimisch. Eines Abends, auf dem Weg zum Schwesternheim, kam ihr ihre Zimmernachbarin Rosemarie Schwarz entgegen. Gut gelaunt nickte ihr Leopoldine zu. Anscheinend wollte Rosemarie in die Stadt. Keine zehn Meter hinter ihr schlich ein Mann. Trotz seines schweren Körpers bewegte er sich geschmeidig. ›Den kenne ich doch‹ – vergeblich suchte Leopoldine in ihrem Gedächtnis und sah Glücklichs rundlicher Gestalt nach, die sich lautlos im Dunkeln entfernte.

7
    Wie jeder verantwortungsbewußte Mensch unterlag auch Bertram Zwängen. Sein Zweifel an

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