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Der Chefarzt

Titel: Der Chefarzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Argirov Valentin
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Gespräche mit seinen Mitarbeitern endeten in langen, fruchtbaren Diskussionen. Die jungen Leute bewunderten in ihm den geborenen Diagnostiker, der seine Kunst nahezu vollkommen beherrschte. Bertrams Arbeitseifer währte nicht lange. Aus dem Bedürfnis entstanden, zu beweisen, daß es mit ihm keinesfalls bergab ging, ließ er bald nach. Er war immer noch der alte, gefürchtet, bewundert und umstritten, sein Leben stimmte immer noch.
    Abends saß in der Bibliothek seines Hauses ein anderer Bertram, zusammengesunken und von Depressionen geplagt. Ihm kam es vor, als ob alle Türen vor ihm unverhofft zugeschlagen würden, von jemand, der es ein Leben lang gut mit ihm gemeint hatte. Von Malvina.
    Sie war nicht mehr da, sie befand sich auf der Flucht. Er hatte sie vertrieben und zur Verzweiflung gebracht. Er trank viel und verfiel in eine zunehmende Gleichgültigkeit. Das Telefon blieb stumm. Immer noch kein Anruf von ihr, keine Anschrift.
    ›Ich sollte mir lieber klarmachen, daß dies wahrscheinlich das Ende bedeutet, daß Malvina nicht mehr zurückkommt‹, sagte sich Bertram. ›Ich weiß es nicht einmal selbst, ob ich es will.‹

5
    Der Gedanke an das leere Haus belastete seine Tage. Er hielt sich in der Klinik auf und suchte nach Unerledigtem. So stieß er auf den Namen Schönhage. Er erinnerte sich gleich an diesen Fall, die Patientin mit dem Oberbauchtumor. Der Stationsarzt drängte auf eine Probe-Laparotomie. (Für kurze Zeit kehrten seine Gedanken zu Malvina zurück. Wie gefaßt sie die ganze Zeit war. Mit ihrer Ruhe hatte sie an seinen Nerven gezerrt.) Dann betätigte er die Sprechanlage und sagte: »Frau Schönhage von 7b soll zur Untersuchung herkommen.«
    Wenig später öffnete sich die Türe und Lisa trat ein. Ausgerechnet Lisa sollte für Fritsch der Stein des Anstoßes werden, ihretwegen wurde er zum Klinikchef zitiert. »Die Patientin hat keinen Tumor«, sagte Bertram. »Was Ihre großartige Diagnose betrifft: Es ist die Leber. Ein harmloser Riedelscher Lappen.« Der Riedelsche Lappen war eine Normvariante, eine zungenförmige, in die Bauchhöhle vorspringende Lappenbildung. Den vor Erleichterung und Freude durcheinandergeratenen Fritsch berührte Bertrams Vorwurf kaum, er nahm ihn nur am Rande wahr.
    Der Klinikchef machte seiner Verärgerung Luft.
    »Sie haben die Untersuchung auf eine falsche Spur gelenkt. Nur aufgrund eines vagen Verdachtes haben Sie mit außerordentlicher Hartnäckigkeit eine ganze Reihe von Eingriffen durchgeführt. Es ist Ihnen hoffentlich bewußt, daß ich das bestenfalls als Einfältigkeit bezeichnen kann. Von den Ängsten und Qualen dieser Frau ganz zu schweigen.« Eine Spur Neugierde schwang in Bertrams Stimme mit, als er fortfuhr: »Was ich nicht verstehe, warum haben Sie kein Leberszintigramm veranlaßt? Oder eine Leberspiegelung? Damit wäre alles geklärt worden.«
    »Weil«, murmelte Fritsch, »die Leber nie zur Diskussion stand.« Er hätte hinzufügen können: ebensowenig für Sie. Er sagte nur: »Ich wollte ihr alles ersparen, was nicht notwendig erschien.«
    »Genau das Gegenteil haben Sie getan!« Bertram sah auf den zerknirschten jungen Mann vor sich: »Wie wollen Sie das verantworten?«
    ›Ich freue mich ja‹, dachte Fritsch verwirrt. ›Wenn man Freude zu verantworten hat, bin ich allzugern bereit.‹
    ›Ich habe Angst‹, redete er sich gleichzeitig ein, ›ich habe immer vor ihm Angst gehabt.‹ Als er aber jetzt in sich hineinlauschte, war die Angst plötzlich verschwunden. »Äußern Sie sich«, befahl Bertram. Mit keinem Wort erwähnte er, daß er selbst Fritschs Diagnose zunächst zustimmte. Es lag nicht in Fritschs Natur, kleinlich zu sein. Bereit, die ganze Verantwortung auf sich zu nehmen, breitete er bedauernd seine Hände aus. Dann sagte er: »Ich freue mich für die Patientin …«
    Seine Antwort verärgerte Bertram. »Ich möchte meine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen. Sie haben mich enttäuscht.«
    Fritsch schien es eine Ewigkeit, nicht nur ein paar Wochen her zu sein, seit er in diesem Zimmer voller Begeisterung saß. Und wieder ließ er seinen Blick im Raum umherschweifen, als suche er irgendwo einen Konzertflügel.
    Er sagte, als würde sein Gemüt endlich von der langersehnten Ruhe erfüllt. »Das mußte so kommen, früher oder später. Wenn es Ohlhaut gewesen wäre …«
    »Was wäre dann?« fragte Bertram in scharfem Ton.
    »Ohlhaut enttäuscht niemand«, entgegnete Fritsch ohne Verbitterung, »was immer er auch tut.«
    »Nicht er steht

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