Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Exportschlagers »bratwurst« kennen? Wahrscheinlicher ist, dass es genau umgekehrt kommt: Irgendwann werden wir in deutschen Texten Kindergartens, Rucksacks und Bratwursts begegnen.
Die deutsch-englische Verwirrung betrifft aber längst nicht nur gestandene Ladys, sondern zunehmend auch unbedarfte Teenies. Besonders kurios wird es nämlich, wenn englische Lehnwörter, die im Singular auf -ie enden, im Plural dann plötzlich ein y erhalten: Wenn also Teenies zu Teenys werden oder Hippies zu Hippys. Entweder herrschte hierbei bereits Unklarheit über die korrekte Endung im Singular, oder es wurde der – falsche – Umkehrschluss gezogen, dass man das -ie im Plural zu einem -y auflösen müsse.
So sorgt die Vorfahrt der englischen Grammatik auf deutschen Straßen für Missverständnisse und Chaos. Wen wundert es da noch, wenn die drei englischen Ladies von Rowdies überfallen und ihrer letzten Ypsilons beraubt werden.
Licht am Ende des sturmverhangenen Horizonts
Redewendungen sind das Salz in der Buchstabensuppe, in der wir alle Tag für Tag herumrühren. Mit bildhaften Vergleichen und lockeren Sprüchen lassen sich selbst fade Sachverhalte noch würzen und schmackhaft machen. Im Überschwang passiert es bisweilen, dass der Salzstreuer in den Kochtopf fällt.
Vom »Licht am Ende des sturmverhangenen Horizonts« schrieb mal ein junger Redakteur eines Hamburger Stadtmagazins in einem Text, ohne zu ahnen, was er sich damit einhandelte. Denn seine Schöpfung wurde zum geflügelten Wort in der Redaktion und immer gern zitiert, wenn es galt, ein Beispiel für außer Kontrolle geratene Idiome zu nennen. Heute hat der Kollege neben dem Duden-Band 11 (»Redewendungen«) auch Georg Büchmanns klassischen Zitatenschatz auf dem Schreibtisch stehen und schaut lieber erst mal nach, ehe er sich erneut zu sturmverhangenen Horizonten aufmacht.
Aber nicht nur bei Jungredakteuren, auch bei erfahrenen Journalisten kommt es bisweilen vor, dass die Metaphorik-Dampflok übermütig wird und plötzlich aus den Gleisen hüpft. »Geschickt fährt er zurzeit zweigleisig auf der Medienschiene«, stand in einem renommierten Online-Magazin über Gerhard Schröder zu lesen. Dem Kanzler ist ja manches zuzutrauen, aber dass er auf einer Schiene zweigleisig fährt – das soll er den Bahnfahrern dieser Republik erst mal vormachen!
Redewendungen sind populär, doch auch tückisch. Wie Sirenen säuseln sie dem nach Worten Ringenden ins Ohr, locken ihn an, um sein Boot im nächsten Moment am Felsen von Kalau zerschellen zu lassen. Die Gefahr, mit ihnen Schiffbruch zu erleiden, ist umso größer, je weiter sich die ursprüngliche Bedeutung eines geflügelten Wortes im Nebel der Sprachgeschichte verliert.
So ist zum Beispiel kaum noch bekannt, woher der Ausdruck »jemanden am Schlafittchen packen« stammt. Es hat jedenfalls nichts mit »Schneewittchen« zu tun, wie man meinen könnte, wenn mal wieder jemand »am Schlawittchen gepackt« wird. Das Schlafittchen kommt von den Schlagfittichen, den Schwungfedern des Vogels. Das Wort mit einem »w« in der Mitte zu sprechen ist erlaubt und vor allem im süddeutschen Raum üblich, doch wer es schreibt, sollte rechtzeitig auf »f« umschalten.
»Ich habe meinem Chef heute mal die Meinung gegeigt und unter anderem auch das Thema Überstunden aufs Trapez gebracht«, berichtet der junge Mann seiner Freundin am Abend. Sie stutzt und fragt: »Heißt es nicht aufs Tablett gebracht ?« – Nein, die beiden liegen gleichermaßen daneben, denn die Redewendung lautet richtig etwas aufs Tapet bringen. Tapet ist Französisch und bezeichnet den Stoffüberzug eines Konferenztisches. Das kommt davon, wenn heute überall am Stoff gespart wird.
Dass Redewendungen im sprachlichen Alltag durcheinander gewürfelt werden, ist nichts Außergewöhnliches und meistens verzeihlich. Wer hat nicht schon mal wie ein Rohrspatz gefroren, wie ein Schneider geschimpft, sich wie ein Honigkuchenpferd gefreut und wie ein Schneekönig gestrahlt?
Etwas anderes ist es, wenn solche Schnitzer so genannten Profis unterlaufen, also Menschen, die ihr Geld damit verdienen, dass sie anderen die Welt erklären. Wie soll man ihnen glauben, dass sie wissen, wovon sie sprechen, wenn sie offenbar die Redewendungen nicht kennen, die sie gebrauchen?
So war im Zusammenhang mit der Krise der SPD die Behauptung zu lesen, »dass Lafontaine wieder Oberwasser wittert«. Man darf davon ausgehen, dass »Oberwasser« im Allgemeinen geruchlos ist, folglich gibt es
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