Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod - Folge 1 (German Edition)
Prädikat! Glücklich, wer engste, beste, vertrauteste, wertvollste oder älteste Freunde hat. Dem fällt die angemessene Wortwahl sicherlich leichter.
Wer mit Hochstapelei nichts im Sinn hat, wird es begrüßen, wenn nicht alles bis ins Unermesslichste gesteigert wird. Manchmal dient es einer Sache mehr, wenn man auf Komparativ und Superlativ verzichtet und einfach auf dem Teppich bleibt. Den nennen die Grammatikaner übrigens »Positiv«.
Ebenfalls ein Wort, das man nicht zu steigern braucht. Denn wie viel positiver als positiv wäre das positivste Ergebnis bei einem Schwangerschaftstest?
Stop making sense!
Seit einiger Zeit hat sich im deutschen Sprachraum eine Phrase breit gemacht, die auf die alte Frage nach dem Sinn eine neue Antwort zu geben scheint. Mit ihr feiert die Minderheitensprache Denglisch ungeahnte Triumphe, grammatischer Unsinn »macht« plötzlich Sinn.
»Früher war alles besser«, sagen ältere Menschen gern. »Früher war alles schlechter«, pflegt der Großvater der Opodeldoks zu sagen. Wie auch immer man die Vergangenheit bewertet, sicher ist: Früher war einiges anders. Früher sagte man zum Beispiel noch: »Das ist sinnvoll.« Dieser Ausdruck scheint inzwischen vollständig verschwunden. Neuerdings hört man nur noch »Das macht Sinn«, in der Negation »Das macht keinen Sinn« oder, im besten Kauderdeutsch: »Das macht nicht wirklich Sinn …«.
Herkunftsland dieser Sprachmutation ist wieder einmal »Marlboro Country«, das Land, wo angeblich alles möglich ist, solange der Strom nicht ausfällt. »That makes sense« mag völlig korrektes Englisch sein, aber »Das macht Sinn« ist alles andere als gutes Deutsch. Irgendwer hat es irgendwann zum ersten Mal verkehrt ins Deutsche übersetzt, vielleicht war es sogar derselbe, dem wir die unaussprechlichen »Frühstückszerealien« zu verdanken haben und das schulterklopfende »Er hat einen guten Job gemacht« (»He did a good job«), welches die bis dahin gültige Feststellung »Er hat seine Sache gut gemacht« abgelöst zu haben scheint. Wie auch immer, jedenfalls hat der Erfinder damit einen grandiosen Hit gelandet, um den ihn jede Plattenfirma beneiden würde. Denn »macht Sinn« läuft auf allen Kanälen, dudelt aus sämtlichen Radios, schillert durch Hunderte Illustrierte, hallt aus den Schluchten des Zeitgeistmassivs und verliert sich in den tiefsten Niederungen unserer Spaßgesellschaft.
Es gibt Menschen, die finden die Phrase »schick«, weil »irgendwie total easy und aktuell mega angesagt«. Diese Menschen haben ihr Sprachgefühl vor vielen Jahren im Babyhort irgendeiner Shopping-Mall abgegeben und »voll im Endstress« vergessen, es hinterher wieder abzuholen.
Es gibt andere, denen kommt die Phrase wie gerufen, weil sie modern und hemdsärmelig-zupackend zugleich klingt: »Das macht Sinn« ist prima geeignet, um über ein mangelndes Profil oder fehlende Sachkompetenz hinwegzutäuschen und von politischen Missständen abzulenken. Da wird von »machen« gesprochen und gleichzeitig Sinn gestiftet! Das ist der Stoff, aus dem große politische Reden geschrieben werden: »Ich sag mal, das macht Sinn, das ist so in Ordnung …«
Die breite Masse der »macht Sinn«-Sager denkt sich nichts dabei, vielleicht hält sie die Redewendung sogar für korrektes Deutsch. Schließlich hört man es doch täglich im Fernsehen; da kommt einem das »macht Sinn« irgendwann wie von selbst über die Lippen. Es ist ja auch so schön kurz, prägnant und praktisch. Ob nun richtig oder falsch, was »macht« das schon, solange es jeder versteht.
Es macht vielleicht wirklich nicht viel, nicht mehr als ein Fettfleck auf dem Hemd, als Petersilie zwischen den Zähnen, als ein kleines bisschen Mundgeruch. Doch schon der Kolumnist und Satiriker Max Goldt geißelte den »primitiven Übersetzungsanglizismus« und warnte davor, dass Menschen, die »macht Sinn« sagen, von anderen weniger ernst genommen würden. Das Wort »machen«, so Goldt, komme ohnehin schon häufig genug vor in der deutschen Sprache.
Womit er allerdings Recht hat. Deutsch ist die Sprache der Macher und des Machens. Das fängt bei der Geburt an (den ersten Schrei machen) und endet mit dem Tod (den Abgang machen). Dazwischen kann man das Frühstück machen und die Wäsche, einen Schritt nach vorn und zwei zurück; man kann Pause machen, Urlaub oder blau, eine Reise ins Ungewisse und plötzlich Halt; man kann eine gute Figur machen und trotzdem einen schlechten Eindruck; man kann den Anfang
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