Lenas Mondnächte (German Edition)
1. Gefunden
Der Tag, an dem Lenas Welt in tausend Scherben zerbrochen war, lag kaum zwei Monate zurück. Und alles, woran sie je geglaubt hatte – nämlich das Vertrauen in ihre Unbesiegbarkeit, in ihre Stärke und in ihre Menschenkenntnis – waren mit einem Schlag vernichtet worden. Alles so mühelos, wie sie es sich selber niemals hätte träumen lassen.
Es kam ihr wie Jahre vor. Wie eine Ewigkeit. Und waren erst knappe acht Wochen seit jener verhängnisvollen Nacht vergangen.
Das hier ist Lenas Geschichte. Und ich glaube es ist wirklich besser, wenn ich nicht mittendrin beginne, sondern sie von Anfang an erzähle …
Lena hatte Tomm – ausdrücklich mit zwei „M“, darauf bestand er! – in diesem Chat damals kennengelernt. Einem BDSM-Chat! Aber das merkte sie erst nach einer Weile. Zunächst ist es ihr merkwürdig vorgekommen, dass man sie immer wieder so ordinär und seltsam anschrieb. „Kleine Hurenfotze“ hatten sie sie genannt, oder „geile Schlampe“. Unfassbar!
Vor Empörung wusste sich Lena nicht anders zu helfen, als sich bei einem der anwesenden Administratoren zu beschweren. Sie konnte doch nicht alle Schreiber auf ignore setzen. Diese Beleidigungen einfach still schlucken wollte sie jedoch auch nicht.
Tomm war der Admin an diesem Abend, der Dienst hatte – und sie darüber aufklärte, wohin sie sich in ihrer Unwissenheit verlaufen hatte. Es war unglaublich! Wie konnte man einen BDSM-Chat bitte „Zur Seligkeit“ nennen?
Zugegeben – Lena hatte von Anfang an vermutet, dass sie in einem dieser berühmt-berüchtigten Baggerchats gelandet war. Doch darin sah sie kein Problem. Seit Jahren war sie Single, und deshalb schon überreif für eine neue Beziehung – und selbst wenn sich nur eine flüchtige Affäre ergeben hätte, so wäre ihr das lieb gewesen und sie hätte nicht Nein gesagt, um endlich das Gefühl von Einsamkeit loszuwerden.
Deshalb hatte sie sich auch ins Internet eingeloggt. Und als ihr auf dieser Chatliste der Name „Zur Seligkeit“ ins Auge gestochen war, dachte sie sich: „Das ist doch schön, das klingt als würde man dort Leute kennenlernen, sich verlieben und mit denen auf Wolke 7 schweben – eben ganz selig!“
Ja, das hatte sie sich gedacht und dabei gelächelt.
Falsch gedacht!
Dieser Tomm verspottete sie ziemlich wegen ihrer Naivität – aber auf eine solch humorvolle Art, dass sie schließlich gar nicht anders konnte, als selber über ihren „Fehltritt“ zu lachen, der sie in die „Seligkeit“ geführt hatte. Und so kamen sie miteinander in Kontakt, er und sie …
Die Gespräche wurden länger, zu den Chatgesprächen gesellten sich Emails und so erfuhr sie nach und nach immer mehr von ihm. Zum Beispiel, dass die „Seligkeit“ sein Chat war, er hatte ihn ins Leben gerufen. Und auch, dass er selber auf der Suche war – schon eine Ewigkeit, wie er es nannte. Und auch schon eine Ewigkeit lang, nur eine Enttäuschung nach der anderen erlebte. Nie war unter den Frauen, mit denen er sich getroffen hatte, diejenige gewesen, welche die Partnerin seines Herzens war – seine für ihn vorherbestimmte Gefährtin!
„Seine vorherbestimmte Gefährtin!“
Dieser Ausspruch ging ihr ins Blut, streichelte ihre Seele und kribbelte in ihren Nerven. Die Worte faszinierten sie – und das konnte sie nicht verbergen.
Tomm merkte das schnell. An diesem Abend telefonierten sie das erste Mal miteinander und als er merkte, dass sein Satz sie sprachlos gemacht hatte, sprach er sie darauf an. Auf die tiefe, glühende Sehnsucht in ihrem Herzen, das Sehnen und das Brennen in ihrem Leib und ihrem Schoß. Sie brauchte es nicht auszusprechen, dass auch sie gerne Jemandes „vorherbestimmte Gefährtin“ wäre – und am liebsten doch die seine.
„Verliere dich nicht in unerfüllbaren Träumen von uns beiden!“ ersparte er ihr nicht die Peinlichkeit, die Warnung in Worte zu fassen. Mit einer tiefen, kehligen Stimme, die sie zum Erschaudern brachte. „Du weißt inzwischen, was für ein Chat das ist, in dem wir uns getroffen haben – also kannst du dir auch denken, worauf ich stehe!“
Sie schluckte schwer an ihrer Beschämung, weil er ihre Sehnsüchte sogar am Telefon erkannt – und sogar ihre geheimsten Träume erraten hatte. Und seufzte nur. „Ich weiß …“
„Weißt du das wirklich?“ höhnte er, plötzlich wütend und seltsam zynisch. Und hart. Seine Stimme klang nun wie Eis. „ Weißt du oder rätst du nur? Gott – bist du naiv!“
Sie zuckte nur
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