Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod: Folge 5
»dämlich« haben nichts miteinander zu tun, sie stammen nicht einmal aus derselben Sprachfamilie. Das eine ist ein Importprodukt, das andere ein Eigenerzeugnis. Die Dame wurde, wie vieles andere Schöne auch, aus Frankreich eingeführt: Das französische Wort »dame« ist die Bezeichnung für »vornehme Frau«, auch zu finden in der Anredeform »Madame« (= meine Dame, gnädige Frau). Die französische »dame« fußt – genau wie die italienische und spanische »dama« – auf dem lateinischen Wort »domina«. Die Domina war bei den Römern noch kein käufliches Peitschenweib, sondern die Herrin des Hauses – abgeleitet vom Wort »domus«, das »Haus« bedeutet. Aus »domus« bildeten die Römer »dominus« und »domina«, den Hausherrn und die Hausherrin. Der eine wurde später zum spanischen Don, die andere zur französischen Dame. Im 16. Jahrhundert holte der Adel die französische Dame ins Deutsche, wo sie das »Frauenzimmer« ablöste, ein Wort für die vornehme (adlige) Frau, das seitdem nur noch scherzhaft gebraucht wird.
Dämlich wiederum gehört zum mundartlichen Verb »dämeln«, das »sich kindisch benehmen, verwirrt sein« bedeutet. Neben »dämeln« ist auch die Form »dammeln« zu finden. Beide kommen nicht von der »Dame«, sondern von »taumeln« und »dämmern«. Möglicherweise wurde das schwache Licht der Dämmerung mit dem Geisteszustand eines verwirrten Menschen gleichgesetzt.
Die Verben »dämeln« und »dammeln« sind heute verschwunden, während kindisches Benehmen, verwirrte Zustände und schwache Leuchten nach wie vor verbreitet sind.
Bewahrt hat sich »dämeln« in den Schimpfwörtern »Dämel« und »Dämlack« – und eben im Adjektiv dämlich. Dieses ist außerdem verwandt mit dem bairischen »damisch« (älter: dämisch). Die Schimpfwörter Dämel und Dämlack sind übrigens beide männlich.
Dämlich kommt also nicht von der Dame, sondern vom damischen Dämel, einem ganz besonderen Prachtexemplar der Spezies Mensch.
Damit kann man als Mann vielleicht noch leben – doch nun folgt die zweite Ernüchterung: »Herrlich« kommt nicht von »Herr«. Beide Wörter haben zwar dieselbe Wurzel, doch das haben Mensch und Affe auch, ohne dass der eine vom anderen abgeleitet wäre. »Herrlich« und »Herr« gehen zurück auf das Adjektiv »hehr«, das im Althochdeutschen zunächst »grau(haarig)« bedeutete und später die übertragene Bedeutung »ehrwürdig« und »erhaben« annahm. So wie sich der römische ehrwürdige Alte, der Senior, in den romanischen Sprachen zu Señor, Senhor, Seigneur und Signore entwickelte, so wurde auch der altdeutsche »hēr« zu einer Anrede für Männer von Rang und Adel. Dabei entfernte er sich in Schreibung und Aussprache von seiner »hehren« Abstammung, und »herrlich« folgte ihm. Eigentlich müsste es heute »hehrlich« geschrieben und mit langem »e« gesprochen werden. In Momenten größten Genusses ist es bisweilen auch so zu hören: Auf die Frage »Schmeckt’s?« habe ich nicht selten selig seufzend geantwortet: »Heeerlich!«
Nun dürften Sie genügend Argumente haben, um die so gar nicht damenhafte These Ihres Freundes auf hehre Weise zu entkräften. Und sollte das nicht genügen, dann bringen Sie ihm bei, wie man »dämlich« steigert: Manche Menschen sind nämlich nicht einfach nur dämlich, sondern geradezu herrlich dämlich!
Mehr zum Thema Herrlichkeit:
»Beugt sich der Herr zum Herrn oder zum Herren?« (»Dativ«-Band 2)
Und zur Anrede junger Damen:
»Hallo, Fräulein!« (»Dativ«-Band 3)
Die Kapitänin, die Torfrau und die Libera
Früher waren Fußball und Schönwetter noch reine Männersache: Tiefdruckgebiete und Stürme hießen nach Frauen, während die Männer eitel Sonnenschein verbreiteten. Beim Fußball hatten die Männer das Sagen, während die Frauen nur zuschauen und Schnittchen reichen durften. Seitdem hat sich das Klima deutlich gewandelt.
Heute werden auch Männer für schlechtes Wetter verantwortlich gemacht, und die Frauen haben den Fußball erobert. Das war kein leichter Weg: In England und Deutschland war Frauenfußball lange Zeit verboten. Erst 1970 hob der DFB das Verbot auf. Seit 1991 findet alle vier Jahre die Frauenfußballweltmeisterschaft statt; 2011 wurde sie erstmals in Deutschland ausgetragen.
Aus diesem Anlass wurde ich von der »Sportschau«-Redaktion nach den weiblichen Formen befragt. Freilich nicht nach den anatomischen, sondern den grammatischen. Zum Beispiel wollte man von mir wissen, wie denn die
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