Der Doppelgänger
Goljadkin der ältere endlich zur Besinnung kam und ihm in das anstoßende Zimmer nachstürzte, wohin sein unversöhnlicher Feind nach seiner häßlichen Gewohnheit schleunigst geflüchtet war. Als ob nicht das geringste geschehen wäre, stand er am Büfett, aß Pastetchen und sagte wie der tugendhafteste Mensch der deutschenKonditorfrau Liebenswürdigkeiten. »In Gegenwart von Damen geht es nicht,« dachte unser Held und trat, außer sich vor Erregung, ebenfalls an das Büfett heran. »Aber wirklich, das Frauchen ist nicht übel! Wie denken Sie darüber?« begann Herr Goljadkin der jüngere von neuem seine unpassenden Späße; er rechnete wahrscheinlich auf Herrn Goljadkins unendliche Geduld. Die dicke Deutsche ihrerseits blickte ihre beiden Kunden mit ihren zinnernen, geistlosen Augen an; sie verstand offenbar kein Russisch und lächelte höflich. Bei den Worten des schamlosen jüngeren Herrn Goljadkin flammte unser Held auf wie Feuer, und außerstande sich länger zu beherrschen, stürzte er endlich auf ihn los in der offensichtlichen Absicht, ihn zu zerreißen und auf diese Art ein für allemal mit ihm fertig zu werden; aber Herr Goljadkin der jüngere war nach seiner unwürdigen Gewohnheit schon weit weg: er hatte Reißaus genommen und befand sich schon vor der Haustür. Als Herr Goljadkin der ältere nach der ersten momentanen Erstarrung, die ihn natürlicherweise überkommen hatte, wieder zur Besinnung kam, lief er selbstverständlich spornstreichs hinter seinem Beleidiger her, der bereits in die Droschke gestiegen war, die auf ihn gewartet hatte, und deren Kutscher augenscheinlich mit ihm unter einer Decke steckte. Aber in diesem selben Augenblicke kreischte die dicke Deutsche, die ihre beiden Kunden davonrennen sah, laut auf und klingelte aus Leibeskräften mit ihrer Glocke. Fast im schärfsten Laufe wandte sich unser Held um, warf ihr das Geld für sich und für den schamlosen Menschen, der nicht bezahlt hatte, hin, ohne etwas heraus zu verlangen,und ermöglichte es trotz dieses Aufenthaltes doch, obgleich wieder nur mit größter Eile, seinen Feind zu erreichen. Indem er sich mit aller Kraft, die ihm die Natur gegeben hatte, an den Schmutzflügel der Droschke anklammerte, lief unser Held eine Weile auf der Straße mit und suchte dabei auf den Wagen heraufzuklettern, den der jüngere Herr Goljadkin aus aller Kraft wie eine Festung verteidigte. Unterdes trieb der Kutscher mit der Peitsche, den Zügeln, dem Fuße und mit Zurufen seinen steifbeinigen Klepper an, der ganz unerwartet in Galopp fiel, wobei er auf das Mundstück biß und nach seiner schlechten Gewohnheit bei jedem dritten Schritte mit den Hinterbeinen ausschlug. Endlich gelang es unserem Helden, sich auf die Droschke hinaufzuschwingen, das Gesicht seinem Feinde zugewandt, mit dem Rücken gegen den Kutscher gestemmt, Knie an Knie mit dem Schamlosen; mit der rechten Hand hielt er den schäbigen Pelzkragen an dem Mantel seines verworfenen, erbitterten Feindes fest gepackt.
So fuhren die beiden Feinde eine Weile schweigend dahin. Unser Held konnte kaum Luft bekommen; der Weg war sehr schlecht, und er hüpfte bei jedem Schritte in die Höhe, in Gefahr, den Hals zu brechen. Überdies wollte sein erbitterter Feind sich immer noch nicht überwunden geben, sondern bemühte sich, seinen Gegner in den Schmutz hinunterzustoßen. Um das Maß der Unannehmlichkeiten voll zu machen, war ein greuliches Wetter. Der Schnee fiel in dichten Flocken und versuchte auf jede Weise unter den offenstehenden Mantel des wirklichen Herrn Goljadkin zu dringen. Ringsherum war es so dunkel,daß man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Es war schwer zu erkennen, wohin und durch welche Straßen sie fuhren. Herr Goljadkin hatte dabei die Empfindung, als widerfahre ihm etwas, was ihm schon bekannt sei. Einen Augenblick lang versuchte er sich zu erinnern, ob er nicht schon gestern so etwas geahnt habe, z. B. im Traume ... Endlich war sein peinliches Gefühl bis auf den höchsten Grad der Agonie gestiegen. Sich an seinen erbarmungslosen Gegner drückend, wollte er aufschreien. Aber der Schrei erstarb ihm auf den Lippen ... Es war ein Augenblick, in welchem Herr Goljadkin alles vergaß und sich sagte, all dies mache gar nichts; es vollziehe sich auf irgendwelche unerklärliche Weise, und sich dagegen zu sträuben, sei unter solchen Umständen unnütz und ganz verlorene Mühe ... Aber plötzlich und beinahe in demselben Augenblicke, als unser Held zu diesem Resultate gelangt war,
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