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Der Doppelgänger

Der Doppelgänger

Titel: Der Doppelgänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij , Fedor Michajlovic Dostoevskij
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so Schicksal, Verhängnis, Jakow Petrowitsch ... aber lassen wir das alles beiseite,« versetzte Herr Goljadkin der jüngere mit einem Seufzer. »Lassen Sie uns die wenigen Minuten unseres Zusammenseins lieber zu einem nützlicheren und angenehmeren Gesprächegebrauchen, wie sich das unter zwei Kollegen schickt... Es ist mir sonderbarerweise diese ganze Zeit über nicht gelungen, ein paar Worte mit Ihnen zu reden ... Ich bin daran nicht schuld, Jakow Petrowitsch ...«
    »Ich auch nicht,« unterbrach ihn unser Held mit Wärme, »ich auch nicht! Mein Herz sagt mir, Jakow Petrowitsch, daß ich an alledem nicht schuld bin. Lassen Sie uns die ganze Schuld daran dem Schicksal beimessen, Jakow Petrowitsch!« fügte Herr Goljadkin der ältere in ganz versöhnlichem Tone hinzu. Seine Stimme begann allmählich matt zu werden und zu zittern.
    »Nun also, wie steht es denn überhaupt mit Ihrer Gesundheit?« fragte der auf Irrwegen befindlich Gewesene in freundlichem Tone.
    »Ich huste ein wenig,« antwortete unser Held noch freundlicher.
    »Nehmen Sie sich in acht! Es ist jetzt immer eine solche Witterung, daß man sich nicht wundern kann, wenn man sich eine Halsentzündung holt; ich muß Ihnen bekennen, daß auch ich schon angefangen habe, flanellne Unterkleidung zu tragen.«
    »In der Tat, Jakow Petrowitsch, man kann sich nicht wundern, wenn man sich eine Halsentzündung holt... Jakow Petrowitsch!« sagte unser Held nach einem kurzen Stillschweigen. »Ich sehe, Jakow Petrowitsch, daß ich mich geirrt habe... Ich gedenke mit Vergnügen jener glücklichen Stunden, die wir unter meinem armen, aber, wie ich zu sagen wage, gastfreundlichen Dache zusammen verleben durften...«
    »In Ihrem Briefe haben Sie übrigens etwas anderesgeschrieben,« bemerkte einigermaßen vorwurfsvoll der völlig wahrheitsliebende (allerdings nur in diesem einen Punkte völlig wahrheitsliebende) Herr Goljadkin der jüngere.
    »Jakow Petrowitsch! Ich habe mich geirrt... Ich erkenne jetzt klar, daß ich mich auch in diesem meinem unglücklichen Briefe geirrt habe. Jakow Petrowitsch, ich schäme mich, Sie anzusehen, Jakow Petrowitsch, Sie glauben es gar nicht ... Geben Sie mir diesen Brief zurück, damit ich ihn vor Ihren Augen zerreiße, Jakow Petrowitsch; oder wenn das nicht mehr möglich ist, bitte ich Sie inständigst, ihn umgekehrt aufzufassen, ganz umgekehrt, d. h. absichtlich in freundschaftlicher Weise, indem Sie allen Worten meines Briefes den entgegengesetzten Sinn beilegen. Ich habe mich geirrt. Verzeihen Sie mir, Jakow Petrowitsch; ich habe mich völlig ... ich habe mich traurig geirrt, Jakow Petrowitsch.«
    »Was sagten Sie?« fragte ziemlich zerstreut und gleichgültig Herrn Goljadkins des älteren treuloser Freund.
    »Ich sagte, daß ich mich völlig geirrt habe, Jakow Petrowitsch, und daß ich meinerseits ganz ohne falsche Scham ...«
    »Ach, nun schön! Das ist ja sehr schön, daß Sie sich geirrt haben,« antwortete Herr Goljadkin der jüngere in grobem Tone.
    »Ich habe sogar schon gedacht, Jakow Petrowitsch,« fügte edelmütig unser offenherziger Held hinzu, der die schreckliche Treulosigkeit seines falschen Freundes gar nicht bemerkte, »ich habe schon gedacht, daß zwei ganz ähnliche Wesen erschaffen worden sind ...
    »Ah, das haben Sie gedacht!...«
    Hier stand der durch seine Nichtswürdigkeit bekannte Herr Goljadkin der jüngere auf und griff nach seinem Hute. Auch Herr Goljadkin der ältere, der die Tücke immer noch nicht merkte, erhob sich, lächelte seinem falschen Freunde gutherzig und edelmütig zu und bemühte sich in seiner Unschuld, freundlich gegen ihn zu sein, ihn zu ermutigen und auf diese Weise von neuem mit ihm Freundschaft zu schließen...
    »Leben Sie wohl, Exzellenz!« rief auf einmal Herr Goljadkin der jüngere. Unser Held fuhr zusammen, bemerkte in dem Gesichte seines Feindes den spöttischen Zug und schob, lediglich um von ihm loszukommen, in die ihm hingestreckte Hand des Verworfenen zwei Finger der seinigen hinein; aber nun ... nun überstieg die Unverschämtheit Herrn Goljadkins des jüngeren alles Maß. Nachdem er die beiden Finger des älteren Herrn Goljadkin ergriffen und zunächst gedrückt hatte, erlaubte sich der Unwürdige, unmittelbar vor den Augen des älteren Herrn Goljadkin seinen schamlosen Scherz vom Vormittag zu wiederholen. Das Maß der menschlichen Geduld war erschöpft...
    Er hatte das Taschentuch, mit dem er sich die Finger abgewischt hatte, bereits wieder in die Tasche gesteckt, als Herr

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