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Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman

Titel: Der Duft der Eukalyptusbluete - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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    Von der Blyth Street aus sah das ausgetrocknete Flussbett, das sich durch Burra schlängelte, wie jedes andere aus. Erst bei näherem Hinsehen konnte man den Rauch von Eukalyptusholzfeuern erkennen, der aus unzähligen Löchern entlang des Ufers aufstieg. Die Öffnungen dienten als Rauchabzug für die vielen hundert Erdwohnungen in den Uferböschungen des knapp hundert Meilen von Adelaide entfernten Bergwerksstädtchens Burra im Gilbert Valley, in denen um die zweitausend Menschen hausten.
    Die Sonne ging unter an diesem außergewöhnlich heißen Novembertag. Kein Lüftchen regte sich, und über dem Flussbett, in dem sich seit Monaten kein Wasser mehr befand, sondern nur noch unverwüstliches Unkraut im Staub wucherte, hing ein stechender Gestank nach Fäkalien und Abfall.
    Während die Frauen in den Erdwohnungen sich anschickten, ein einfaches Abendessen zuzubereiten, war ihnen bewusst, dass etwas Unheilvolles über der Creek Street, wie das Flussbett genannt wurde, lag. Plötzlich zerriss ein unheimlicher, herzerweichender Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, die angespannte Stille. Alle erstarrten. Eine Sekunde später erhob sich lautes Wehklagen.
    Tränen kullerten über Abbey Scottsdales sonnengebräunte Wangen. Sie trat aus der zwei Räume umfassenden Behausung, die sie mit ihrem Vater teilte, auf die Straße hinaus, wo sich bereits etliche Frauen versammelt hatten. Wie Bäume in einem engen Tal, stumme, statuenhafte Wächter, sahen sie in der hereinbrechenden Dämmerung aus.
    Alle wussten, was die herzzerreißenden Schreie bedeuteten: Der kleine Ely Dugan hatte den Kampf gegen den Typhus verloren. Ihre Gebete waren umsonst gewesen. Der schmächtige Vierjährige hatte keine Chance gehabt. Das gramerfüllte Klagen und Schluchzen seiner Mutter brach den draußen Versammelten beinah das Herz.
    Obwohl Abbey mit ihren achtzehn Jahren weder Ehefrau noch Mutter war, konnte sie Evelyn Dugans Schmerz nachempfinden. Die arme Frau hatte vor nicht einmal einem Jahr bereits einen Sohn verloren. Damals waren in der Creek Street fast dreißig Kinder an Typhus, Pocken und Fleckfieber gestorben. Jedes Kind, das ums Leben kam, erinnerte Abbey an ihre persönlichen Verluste. Sie selbst war 1848 in Irland geboren worden. Ein gutes Jahr später war ihr Bruder Liam auf die Welt gekommen, und eineinhalb Jahre später hatte sie noch eine Schwester, Eileen, bekommen. Als Abbey fünf Jahre alt war, wurde Liam von den Pocken dahingerafft. Ein Jahr später erkrankte Eileen so schwer an Keuchhusten, dass sie die Krankheit nicht überlebte. Und 1860 starb Mary, ihre Mutter, im Alter von nur neunundzwanzig Jahren an Diphtherie.
    Die unhygienischen Verhältnisse in der Creek Street waren ein idealer Nährboden für allerlei Krankheiten. Doch die Bergleute, die mit ihren Familien hierhergekommen waren, um in der Monster Mine zu arbeiten, hatten keine andere Wahl, als in den mit Balken gestützten, höhlenähnlichen Erdwohnungen zu hausen. Im Sommer war es drinnen zwar angenehm kühl, im Winter jedoch feucht, schlammig und bitterkalt. Oft genug führte der Fluss dann so viel Wasser, dass die Bewohner ihre Behausungen verlassen mussten.
    Abbey wischte sich die Tränen ab und ging in ihre Wohnung zurück. Sie steckte sich die langen schwarzen Haare hoch und rührte nachdenklich die Suppe um, die sie aus einem ausgekochten geräucherten Schinkenknochen zubereitet hatte. Die junge Frau fragte sich, warum sie vom Typhus oder einer anderen Krankheit verschont worden war und ein unschuldiges Kind wie Ely nicht. Sie verstand das einfach nicht.
    Abbey wartete auf ihren Vater, der wie jeden Donnerstagabend im Miner’s Arms Hotel mit seinen irischen Freunden zechte. Donnerstag war nämlich Zahltag. Abbey hatte nichts gegen diese Wirtshausbesuche einzuwenden, weil sie dadurch eine Stunde mit Neal Tavis allein sein konnte. Dass ihr Vater aber auch samstagnachmittags nicht auf direktem Weg von der Arbeit nach Hause kam, sondern einen Abstecher in seine Kneipe machte, nahm sie ihm übel.
    Neal, der junge Mann, in den sich Abbey verliebt hatte, war achtzehn Jahre alt wie sie selbst und arbeitete Seite an Seite mit ihrem Vater in einhundertsechzig Meter Tiefe in der Kupfermine. Samstags verdingte er sich zusätzlich auf einer Farm, um etwas dazuzuverdienen. Da er von Finlay Scottsdales Kneipenbesuchen wusste, eilte er jeden Donnerstag von der Zeche nach Hause, wusch sich und ging dann schnurstracks zu Abbey.

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