Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
dich keiner vögeln. Was ist das für ein Leben! Haben Sie recht vielen Dank, liebe Ma’am, Gott schütze Sie und Ihren lieben Mann, ich hab auch eine seiner Münzen in meinem Schrank, und bald werden die Kerle alle damit bezahlen, warten Sie’s nur ab …«
Penelope ertrug das Gerede der Vorsteherin nicht mehr und stieg die Stufen des Hauses hinunter nach draußen. Ihre Abenteuerlust war gründlich vergangen, und sie hoffte, dass Elizabeth da drinnen bald fertig sein würde. Die zwei an der Wand hatten ihr Geschäft beendet. Das Mädchen verhandelte bereits mit einem neuen Freier, offenbar war sie beliebt.
Über ihnen hatte der Himmel sich rosig verfärbt. Es versprach ein wunderbarer Abend zu werden. Sie würde ihn im Garten verbringen, unter ihrem Pfirsichbaum, vielleicht ein paar Handarbeiten erledigen und ihren Gedanken nachhängen, bis Bernhard nach Hause kam. Im Lärm des Hafens sehnte sie sich nach seiner Ruhe und Friedfertigkeit.
»Vielleicht hat die feine Dame einen Kanten Brot übrig, den sie hergeben kann. Gegen einen Krug Rum hätte ichauch nichts …« Jemand hielt sie am Rockzipfel fest. Ärgerlich drehte sie sich herum und wehrte die Hand ab.
»Finger weg!«, zischte sie. Ihr Herz klopfte, sie sah sich um. Der Kutscher scherzte mit einem, dem polierte Knöpfe auf der Brust blitzten, Elizabeth war immer noch im Haus der Dicken.
»Ach, Mädchen, was weißt du schon?«, erwiderte die Frau vor ihr. »Es ist gut, dich in so schönen Kleidern zu sehen. Ich wollte dich immer besuchen, aber alles kam anders, weißt du.«
Ihr Herz blieb fast stehen. Die Stimme kannte sie. Jahre war es her, dass Penelope sie gehört hatte. Tränen schossen in ihre Augen, verschleierten ihr den Blick, dennoch erkannte sie die Gestalt am Boden.
»Mutter«, flüsterte Penelope fassungslos.
»Ich ruhe hier nur kurz aus, dann muss ich weiter«, kam es leise. Mary MacFadden war nur noch ein Schatten, die Erinnerung an eine Frau, in zerrissene Kleider gehüllt und gegen die Hauswand gekauert, in der Hoffnung auf eine milde Gabe. Sie besaß nicht mal die Kraft, die Arme auszustrecken. »Ich ruhe mich nur kurz aus.«
Penelope hockte sich so vor sie hin, dass ihr Kleid in eine Pfütze geriet. Doch Mary wollte nicht mit ihr reden.
»Du kannst bei mir zu Hause ausruhen, Mutter«, sagte Penelope und wischte sich die Tränen weg … »Ich habe jetzt ein Zuhause.« Schüchtern berührte sie das eingefallene Gesicht.
»Nur ein bisschen ausruhen«, flüsterte Mary. »Ich muss weiter, nur ein bisschen ausruhen …«
Ausruhen! Mary hätte nicht gedacht, dass der Anblick ihrer schönen Tochter sie so berühren würde. Ihr schwaches Herzmachte einen Satz, und ihr wurde schwarz vor Augen. Warum hatte sie so viel Zeit verstreichen lassen? Sie versuchte sich zu erinnern, atmete tief durch. Erinnerte sich an die Zeit im Gefängnis, wie man sie hatte arbeiten lassen. Wie die Tage verstrichen, die Wochen – die Monate. Schließlich Jahre. Vierzehn Jahre lautete ihr Strafmaß – endlos. Ihr Platz war im Gefängnis, als Aufseherin in unsichtbaren Ketten. Man hatte sie geachtet, schließlich gefürchtet, weil sie immer schweigsamer wurde. Bilder zogen an ihrem inneren Auge vorüber, Bilder davon, wie es gewesen war.
Dann hatte die gelbe Krankheit sie im Gefängnis erwischt. Der Chinese hatte sie ihr mit auf den Weg gegeben, und seine Drohung, dass sie an ihn denken würde, hatte sich bewahrheitet. Man hatte sich erzählt, dass niemand wagte, sich ihm zu widersetzen, weil er Macht über Leben und Tod besaß. Mary wusste nun, dass das der Wahrheit entsprach.
Sie erinnerte sich daran, wie sie immer schwächer geworden war und wie man sie schließlich hinausgeworfen hatte, weil sie ihre Arbeit nicht mehr hatte verrichten können. Immer hatte sie vorgehabt, zu Penelopes Haus zu gehen und um Hilfe zu bitten. Der Weg dahin war zu weit gewesen, nicht einmal in die Nähe des Hauses war sie gekommen. Sie hatte sich geschämt, so sehr geschämt. Stattdessen war sie immer weiter zum Hafen gekrochen und hatte dort ihre alten Dienste angeboten, Kräuter und Salben gerührt, bis auch das nicht mehr ging und sie von Almosen leben, in der Gosse schlafen musste … Welche Erleichterung wäre es, davon zu sprechen. Doch es passte nicht zu Penelopes Duft nach Sauberkeit und Ordnung, und so ließ sie sich nur in den Arm nehmen und fand unerwartet Frieden an der Schulter ihrer Tochter.
Nur ein wenig ausruhen …
Der Kutscher trug Mary in das Haus des
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