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Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Ich hatte dich aus den Augen verloren – ich wollte nicht noch sie verlieren. Aber mir gingen die Kräfte aus, gegen das Wasser anzukämpfen, gegen die verfluchten Wellen rings um das Schiff, und immer wieder Hände, verzweifelte Hände, die sich vor dem Ertrinken festklammerten … mir ging die Kraft aus, ich dachte, ich muss ertrinken. Ein verdienter Tod, verdammt, aber doch nicht für sie … ich hab dein Kind auf diese Kiste gehoben. Es weinte, als ich es dort hingelegt habe. Es hat noch gelebt, das musst du mir glauben. Und dann verschwand die Kiste, Penny …« Tränen rollten aus ihren fiebrigen Augen und schafften es doch nicht, den Schmerz zu lindern.
    »Es ist ertrunken, Mutter. Wie so viele«, flüsterte Penelope. »Und ich dachte, du wärst auch …«
    »Ich habe versucht, dein Kind zu retten«, wiederholte Mary schwer atmend. »Ich hab’s versucht. Vergib mir …«
    Immer wieder murmelte sie von Lily, Lily auf ihrem Arm, Lily auf der Kiste, und Lily war in ihren Gedanken, als in den frühen Morgenstunden die ewige Nacht über sie kam.
     
    Kein Wort der Vergebung für Penelope. Mary hatte ihre Pflicht getan, hatte der Tochter im Gefängnis die Sonne geholt. Der Doktor war gekommen und hatte Penelope auf seinen Armen hinausgetragen – was mehr konnte man sich wünschen? Und nun lebte sie an seiner Seite, glücklich und versorgt.
    Die Last jedoch, schuld an ihrer beider Unglück zu sein, weil sie damals Lady Rose gebracht und jenen unseligen Verlauf der Ereignisse in Gang gesetzt hatte, blieb für immer an Penelope hängen. Mary ließ sie damit zurück, und es half nur wenig, sich einzureden, dass sie ihr vielleicht verziehen hätte, wenn ihr noch ein wenig mehr Zeit geblieben wäre.
    Und so hielt sie ihre Mutter in deren letzten Lebensstunden fest in den Armen, um ihr das Gehen so leicht wie möglich zu machen.
    Mit einem Sterbenden zusammen auf den Tod zu warten ist die größte Liebestat, zu der der Mensch fähig ist. Die Angst vor dem Ende kann er dem Sterbenden nicht nehmen. Aber er kann ihn zur Schwelle begleiten und ihn von Liebe gestärkt ziehen lassen.
    »Ihre Mutter hätte sicher nicht gewollt, dass Sie wochenlang trauern.« Elizabeth strich Penelope tröstend über denArm. Sie würde wohl niemals ahnen, wie sehr sie damit recht hatte. Nein, trauern hätte Mary nicht gewollt. Dennoch, seit Wochen konnte Penelope an nichts anderes denken. Wie viel hätte sie dafür gegeben, jenen letzten Abend noch einmal durchleben zu können – was hätte sie alles anders gemacht! Bernhard war bei ihr gewesen, als sie zusammen mit ihrer sterbenden Mutter auf den Tod gewartet hatte.
    Was hätte sie anders gemacht? Die kleine Lucy quiekte. Amelia hatte sie mit ihren Bauklötzchen auf den Boden gesetzt und ihr einen Turm gebaut, bevor sie in die Küche gegangen war. Es gab einen riesigen Krach – der Turm stürzte ein, und Lucy freute sich über das angerichtete Durcheinander.
    Jeder Turm stürzt nur einmal ein. Aus den Trümmern baut man etwas Neues. Vielleicht war es der einstürzende Turm. Oder das Lächeln des schwarzen Kindes mit dem schiefen Mund. Penelope stand auf und zerrte sich das schwarze Kleid vom Leib. Vorbei bedeutete vorbei, zurückschauen macht nur müde. Sie stand im Unterhemd da und sah an sich herunter. Genau so war es richtig.
    »Aber Liebste – was tun Sie da!« Elizabeth riss fassungslos die Augen auf.
    Das Kleid blieb am Boden liegen, im Hemd lief Penelope in die abgedunkelte Schlafkammer, öffnete sämtliche Schränke und tastete sich durch die Stoffe, bis sie gefunden hatte, was sie suchte: ein himmelblaues Kleid, so blau wie jenes Kleid, das Elizabeth an dem Tag getragen hatte, als sie sich im Gefängnis begegnet waren. Es war ein verspieltes Modell mit viel zu vielen Knöpfen, und Penelope hatte es daher noch nie angehabt. Doch das Blau war richtig – das Blau bedeutete Neubeginn. Sie würde den Kelchder Schuld nicht länger tragen, die Zeit war gekommen, um ihn abzusetzen.
    Es dauerte eine Weile, bis alle Knöpfe richtig zugeknöpft waren, aber als sie damit fertig war, saß das Kleid wie angegossen. Dann griff sie noch einmal in den Schrank und zog etwas hervor, was sie ebenfalls noch nie getragen hatte: jenen Spitzenkragen, den sie an dem Abend fertiggestellt hatte, als Bernhard um ihre Hand angehalten hatte. Der Kragen lag wie ein Hauch auf ihren Schultern, und das war es. Die Last verschwand.
    Elizabeth schwieg, als sie aus der Kammer zurückkam. Sie stand auf, umrundete

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