Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
aber diesen Kerlen ist es vielleicht egal.«
»Meine Güte, woher wissen Sie nur all so was?«, flüsterte Penelope und tastete nach dem Korb, um den Schwamm schnell wieder aus den Fingern zu legen.
»Aber Penelope, ich hab ja nicht immer so vornehm gelebt«, erklärte Elizabeth fröhlich. »Mein Elternhaus war recht einfach, und wir hatten natürlich einen Stall daheim. Sagen Sie das niemandem.«
Nachdem sie von den Schwämmchen erfahren hatte, musste Penelope erst recht mit zum Hafen. Auf keinen Fall würde sie die Freundin alleine gehen lassen, der Kutscher war ja auch nur ein grimmiger Kerl, auf den kein Verlass zu sein schien. Inzwischen hatte Macquarie einen neuen eingestellt, Penelope fand ihn noch unfreundlicher als den letzten. Er war ein Sträfling und tat, wenn auch murrend, was man ihm befahl. Und er begleitete die in einfache Umhänge gekleideten Damen hinunter in den Hafen und wirkte als dunkler Schatten hinter ihnen beinahe noch bedrohlicher als die düsteren Gestalten vor ihnen. Doch mit ihm als Beschützer fühlte sich der Ausflug nach einem rechten Abenteuer an, und Penelope genoss das Kribbeln ein bisschen, als sie in das Hafenviertel einbogen. Seeleute liefen durch die Straßen mit den Hurenhäusern, die meisten waren betrunken und auf der Suche nach Weibern, nach schneller Lust, Rum und Rausch, auf der Suche nach Liebe, die es hier aber gar nicht gab. Es gab nur den kurzen Rausch, wenn man beieinanderlag, es gab Nacktheit, in der mancher Trost fand, und Nähe gegen Einsamkeit, es gab vielleicht ein wenig Linderung für Seelenschmerz, doch war die nur von kurzer Dauer, dann kostete es Geld oder einen Becher Rum. War der Rausch vorüber und das Geld fort, kam die Einsamkeit wieder und schlimmer als zuvor. Die Augen der Seeleute spiegelten Leere, das Grau des Ozeans in ihrer Seele.
Penelope sah diese Augen nicht, doch spürte sie die Einsamkeit der Menschen – sie alle hatten im selben Schiff gesessen, hatten die gleichen Ketten geteilt, trugen die gleichen Scheuerstellen an Armen und Beinen. Wunden, die niemals vernarbten und die man schamhaft verbarg, statt sie mit dem Stolz des Überlebenden zu tragen. Sie wareneinmal Teil ihres Lebens gewesen, die rohen Kerle auf der Suche nach Gespielinnen, die Weiber auf der Suche nach starken Armen und beide voller Sehnsucht, die graue Gegenwart für den Moment vergessen zu können. Das Herz wurde ihr schwer.
»Der Kutscher kann Sie nach Hause begleiten, Penelope. Sie sind blass, das ist nichts für Sie, ich hätte Sie gar nicht mit hernehmen sollen«, meinte Elizabeth, der Penelopes Bedrücktheit nicht entgangen war.
»Mir geht es gut, Elizabeth«, widersprach Penelope. »Manchmal kommen Erinnerungen hoch – aber das werden sie wohl bis ans Ende meiner Tage. Ich kann ja nicht immer nach Hause gehen.«
Elizabeth fasste sie unter dem Arm. »Sie sind eine so tapfere Frau! Bernhard hat großes Glück.«
Die Hafenspelunke wirkte in der Tat so dunkel und widerwärtig, dass Lachlan Macquarie besser nichts vom Besuch seiner Gattin erfuhr. Ein heruntergekommenes Holzhaus mit windschiefem Dach, aus dem Fidelmusik erklang, die eher an Katzengeheul erinnerte. Gejohle, Gekreische, dann flog ein Stuhl aus dem glaslosen Fenster, ein Seemann landete auf den Stufen vor dem Eingang, halb besinnungslos vor sich hinbrabbelnd. Jemand schrie: »Das nächste Mal bezahlst du, dein Maß ist voll! Kannst ja in Rio schauen, ob du so durchkommst – bei mir jedenfalls nicht mehr!«
Neben der Tür vergnügten sich zwei, die kein Bett brauchten, weil es im Stehen schneller ging. Ihre Becher Rum lagen auf dem Boden, der eine rollte in die Gosse. Der Mann hatte die Hure auf seine Hüften gehoben und gegen die Wand gedrückt. Ihre Haare tanzten im Rhythmus seiner Anstrengung. Mit den Beinen umklammerte sie seine Hüften. Ihre Augen starrten leer vor sich hin.
Die Vorsteherin des Hurenhauses war doppelt so breit wie die Tür und konnte sich kaum auf den fetten Beinen halten. Schnaufend nahm sie den bestellten Korb entgegen und klang erstaunlich freundlich. »Ach, liebe Ma’am, diese Mädchen können einem ja doch leid tun, sie sind so voller Sehnsucht nach einem Mann und finden hier in hundert Jahren keinen. Dafür werden sie dick gemacht, und dann fängt das Leiden doch erst an – dicker Bauch und keiner will dich mehr vögeln, dann hungerst du und säufst nur noch. Du bringst das Balg zur Welt, und sie holen es vom Waisenhaus ab, du weinst dir die Augen aus und wieder will
Weitere Kostenlose Bücher