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Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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seinem Magen hängenbleiben und dort langsam, aber zuverlässig Vergeltung üben. Mary MacFadden hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass es nur darum ging, selbst am Leben zu bleiben. Schwache Menschen fraß das Leben.
     
    Der Seegang nahm zu. Zu Anfang war die Miracle noch mühelos über die Wellenkämme geglitten, doch die See wurde immer wilder und ließ das Schiff ächzen und taumeln. Durch die Ritzen ihres Verschlags sah Penelope, wie drei Seeleute sich an gespannten Seilen entlanghangelten, um die Segel zu reffen. Hungrig stürzte sich das Wasser über die Reling, leckte die Planken, wischte sie sauber wie einen Tisch vor dem Essen. Doch die Seeleute waren zu schlau, um ihm auf den Leim zu gehen. Sonst war niemand zu sehen. Penelope zog die Beine an den Leib und drehte sich in ihren Lumpen auf die Seite. Ihre Gedanken waren in einem grauen Nebel der Seekrankheit versunken,als die Tür klapperte und der Doktor wieder neben ihr kniete.
    »Du musst nun wieder nach unten«, sagte Kreuz und legte die Hand auf ihre Schulter. »Order vom Kapitän – wir nähern uns dem Kap der Guten Hoffnung. Alle Reisenden müssen unter Deck.«
    »Das Kap der Guten Hoffnung«, kam es spöttisch aus der Ecke. »Dass ich nicht lache. Wer darf dort hoffen?«
    Das waren die letzten Worte, die Penelope von dem Iren hörte. Drei Nächte lang hatte sie seinem Atem gelauscht. Fieber hatte ihn in eine andere Welt entführt, und weil er manchmal wild um sich schlug, hatte sie sich nicht mehr in seine Nähe gewagt.
    Kreuz hielt ihre Hand fest, während er sie aus dem Verschlag führte. Mehrmals schaute sie zu ihm auf, sah, wie er die Augen vor der Gischt zusammenkniff. Sie selbst fror, doch die Hand des Doktors wärmte sie, und sie wünschte sich, dass er sie niemals loslassen würde. Vor der Luke hielt er an, und jener winzige Moment, bevor er sie den Aufsehern übergab, gehörte seinem verlegenen Lächeln.
    »… Penelope …« Er merkte selbst, wie unpassend es war, sich von ihr mit der üblichen Floskel zu verabschieden, und so drückte er nur kurz ihre Hand. Seine grauen Augen begleiteten sie in ihr Gefängnis. Das Gefangenendeck war während der sonnigen Tage gründlich gereinigt und ausgeräuchert worden, doch daran erinnerte nur noch der verkohlte Geruch. Alles andere war wie vorher – der Boden glitschig, die Matratzen feucht, die Luft zum Schneiden dick. Der Kapitän hatte verfügt, dass die Gefangenen in Ketten gelegt werden sollten, obwohl es dafür keinen Grund gab, wie einer der Wachleute leise bemerkte. »Ihr seid zwar Hurenpack, aber so muss es ja nun auch nicht …«
    »Hurenpack!«, fuhr ihm ein anderer übers Maul. »Weiber verdienen das so, sagt der Käpt’n!« Wie ein eiserner Wasserfall rasselten die Ketten durch das Halbdunkel. Doch die Endgültigkeit des Geräuschs war nicht mehr so bedrohlich wie sonst. Waren es die grauen Augen oder das Wissen um ihren Vater, das ihr Kraft gab, oder war es das Kind, das sie immer deutlicher bei sich spürte? Penelope war nun stark genug, die Dunkelheit zu ertragen.
     
    Am Kap der Guten Hoffnung ankerte die Miracle etwa drei Wochen, um Proviant und Frischwasser an Bord zu holen sowie Bauholz für den Schiffszimmermann. Dessen Aufgabe bestand darin, Reparaturen vorzunehmen, die durch die Stürme notwendig geworden waren. Von früh bis spät hörte man es hämmern und klopfen, Holz wurde über die Planken geschleift, und die Aufseher brüllten noch mehr herum als sonst. Die Gefangenen ließ man an Deck, wo sie mit knapper Trinkwasserration unter der Sonne Südafrikas dahindämmerten.
    Penelope selber hatte schon lange jedes Zeitgefühl verloren. Zeit war wie die Wellen da draußen – je länger man ihnen zuschaute, desto gleichgültiger wurde alles. Sie tanzten vorbei, alle mit dem gleichen weißen Schaumhäubchen, und es war müßig, herauszufinden, ob eine hübscher aussah als die anderen, weil sie im nächsten Moment untergegangen waren. Was zählte da der einzelne Moment?
    »Aber siehst du es denn nicht? Schau, da fliegt sogar ein Fisch!« Jenny zeigte in das glitzernde Graublau.
    Penelope sah ihm müde hinterher. »Wo?« Die kleinen Wellen verursachten ihr Schwindel, vielleicht war es auch nur die Sonne oder der Durst.
    »Er flog nur einen Moment, bevor er ins Wasser abtauchte.«Die alte Frau nahm ihre Hand. »Der Moment ist alles, Mädchen«, sagte sie. »Du hast nur den Moment. Genieße ihn.« Ihr zerfurchtes Gesicht schimmerte wehmütig. »Du bist doch jung, genieße

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