Der Duft der Pfirsichblüte: Eine Australien-Saga (German Edition)
heraus. Sie zögerten, taten noch einen Schritt und noch einen. Penelope hoffte, dass sie Ann gegen ihren Herrn zu Hilfe eilen würden. Vielleicht hatten sie einen Moment darüber nachgedacht, dann öffnete der eine den Mund.
»Wir sind fertig mit dem einen Feld«, sagte er gleichgültig, und sein Blick fiel nicht wieder auf Ann. Der andere starrte Penelope an.
Heynes fuhr herum. »Hatte ich nicht gesagt, danach das andere Feld? Wie blöd seid ihr eigentlich? Verdammtes Sträflingspack!«, schrie er. Die Hunde folgten ihm, als er auf die Männer zuhastete, das Stuhlbein immer noch in der Linken, um ihnen wild fuchtelnd zu erklären, welches Feldgemeint war. Sanft fuhr der Abendwind zwischen den Bäumen entlang, ließ die Eukalyptusblätter leise rascheln. Er nahm das Geschrei mit sich, glättete die Wogen der Angst und streichelte eingeschüchterte Seelen. Der Lärmvogel flog lautlos davon …
»Wie geht es dir?« Penelope hockte sich neben die Freundin. Sie versuchte deren Hände vom Gesicht wegzuziehen. Ann richtete sich auf. Für einen Moment saß sie mit stierem Blick auf ihren Unterschenkeln, wie um nach ihrer Fassung zu suchen. Dann entstand ein Lächeln auf ihrem Gesicht, und Penelope erkannte, wie viel sie das kostete.
»Er hat schlecht geschlafen. Dann hat er schon am Morgen Kopfschmerzen … Er … Er hat Kopfschmerzen, dann ist er manchmal … schwierig …« Sie stockte. »Komm mit zum Wasserfass. Es ist so heiß heute …«
Mühsam kam sie auf die Füße, verweigerte Penelopes helfende Hand. Mit einer ungelenken Bewegung stopfte sie das Hemd in den Rock und wand ihr Haar zu einem Knoten. Die Haube war ihr wohl auf der Flucht verlorengegangen. Als unschuldiger weißer Fleck lag sie in der Nähe der offenen Eingangstür. Penelope spürte, wie Ann zögerte, auf das Haus zuzugehen, und lief, um sie ihr zu holen.
»Ach ja, die hatte ich …« Murmelnd streifte Ann sich die Haube übers Haar. Mit zitternden Fingern stopfte sie lose Strähnen unter das Band, rückte sie zurecht, bis sich vorne ein paar mädchenhafte Strähnchen unter dem Band befreiten. Als sie wieder aufschaute, war sie die alte Ann Pebbles, die ihr zauberhaftes Lächeln im Gesicht trug – jenes Lächeln, das Abenteuer versprach, Geschichten ankündigte und das die entstellenden Narben vergessen machte.
»Komm, lass uns einen Schluck nehmen – drüben im Garten wird er uns nicht suchen«, raunte sie verschwörerischund zog Penelope mit zum Haus. Die blieb in der Eingangstür stehen – Heynes’ Allgegenwart wirkte wie eine unüberwindliche Schranke, die den Zutritt verwehrte. Aber von draußen hineinschauen konnte sie wohl, den Inhalt des Hauses bewundern, von dem Ann immer so schwärmte. Von der Größe her wirkte Heynes’ Haus eher bescheiden, es war aus dicken Bohlen errichtet und bestand aus einem einzigen Raum. Eine Leiter führte zur Schlafstätte im Hochbett unter dem Dach. Schränke wie im Haus in Belgravia gab es nicht, dafür schwere Holztruhen und Reisekisten, in denen offenbar auch jene Kleider aufbewahrt wurden, über denen sich der Ärger des Hausherrn entzündet hatte. Glänzend schwarze Eichenstühle standen um einen blank polierten Tisch, den bestickte Spitzentücher zierten, dahinter befand sich ein Sofa mit Seidenkissen, das zu seinem Besitzer überhaupt nicht passen wollte.
Zum Kochen gab es einen modernen Eisenofen mit Klappe – kein Wunder, dass Ann sich über die armselige Feuerstelle des Hirten lustig machte. Schweres irdenes Geschirr wartete in einem Regal darauf, mit Speisen befüllt zu werden, ein Besen aus Rosshaar lehnte an der Wand. Dann stockte Penelope und kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Verfluchter brauner Schleier, der ihren Blick trübte! Doch sie irrte sich nicht. Neben dem Ofen waren zerlumpte Decken auf dem Boden zu sehen – das Nachtlager einer Frau, denn über einem notdürftig zusammengenähten Kissen lag ordentlich zusammengefaltet ein rosafarbenes Spitzenhemd.
Ann Pebbles schlief wie eine Sklavin auf dem Boden und musste sich mit Lumpen zudecken. Das rosafarbene Hemd war vermutlich die Arbeitskleidung für Heynes’ Hochbett. Es war auch ein Traumgewand, welches sie mit falschenVersprechen aus ihren braunen Sträflingskleidern befreite und im Schutz der Nacht so kleidete, wie es nur Damen erlaubt war. Ann war keine Dame, und das Spitzenhemd war eine Lüge. Doch möglicherweise war es der größte Schatz in ihrem Leben.
»Ich habe dir …« Ann trat mit zwei
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