Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
Vom Netzwerk:
nach Sydney am …« Monoton leierte der Schreiber ihre Daten herunter, als wären sie schmutzige Lappen, die man nur mit spitzen Fingern anfasst. Penelope hörte gar nicht richtig zu und verpasste, dass jemand anderes das Wort ergriffen hatte.
    »… rollen den Fall erneut auf … Mörder nicht gefasst … neue Beweislage erfordert Ihre Anwesenheit. Haben Sie mich verstanden, Miss MacFadden? Hören Sie mir überhaupt zu?« Richter Bent beugte sich vor und schlug mit der flachen Hand auf seinen Papierstapel.
    Penelope zwang sich, ihn anzuschauen. »Zeig es ihnen«, hallte Carries Stimme in ihrem Kopf wider.
    »Hier bin ich, Euer Ehren.«
    »Ach wie schön, sie ist da, und sie versteht mich. Ich hatte ernsthaft schon Sorge, Sie wären nicht nur stumm, sondern inzwischen auch taub geworden, Miss MacFadden«, bemerkte er grimmig. »Dann können wir ja jetzt miteinander reden.« Er blätterte erneut in seinen Papieren. »Wie Sie sich vielleicht erinnern, war im Mordfall Heynes die Rede von einer zweiten Person gewesen. Die Frau, die mit Ihnen auf dem Kutschbock gesessen hat – auf dem Bock jener Kutsche, die zum Zeitpunkt seines Todes im Besitz von Mr. – ääh, James Heynes aus Double Creek gestanden hat. Nun … Mr. Kingsley, führen Sie Miss Pebbles herein.«
    Penelope war an diesem Morgen auf alles Mögliche vorbereitet gewesen – nur nicht auf Ann.
    Mit beiden Händen hielt sie sich an dem Hocker fest,um nicht ein zweites Mal damit umzukippen, als man die blutrote Tür öffnete und der Gerichtsdiener die Frau in den Saal schob, nach der die Polizei von Sydney seit Monaten gesucht hatte. Ein Raunen ging durch den Saal. Diese Frau, die sich in Luft aufgelöst hatte, die Spitzel und Gesetzesdiener an der Nase herumgeführt hatte, die wie vom Erdboden verschluckt gewesen war – hier stand sie nun, in stinkenden Lumpen, welche ihren heruntergekommenen Weiberleib nur notdürftig verbargen. Ihre Haare hingen in verfilzten Strähnen bis weit über die Schultern, die zerlumpte Haube saß schief auf ihrem Kopf, und schaute man genauer hin, erkannte man die Läuse am Haaransatz.
    Die Ehrenwerten suchten sich andere Betrachtungspunkte im Raum – ihre Papiere, die Fingernägel, die Schuhspitzen –, um diese peinliche Kreatur nicht anschauen zu müssen. Die Zuschauer hingegen beugten sich vor, um alles noch besser zu sehen und im Gedächtnis zu bewahren, damit sie hernach etwas zu berichten hatten, denn jeder würde ja fragen, wie die Verbrecherin ausgesehen hatte. Das Verbrechen einte zwar alle Bewohner von Sydney irgendwie, trotzdem gab es den Drang, ihm ins Gesicht zu schauen, wann immer es möglich war. Der Schreiber der Sydney Gazette rückte auf die Vorderkante seines Stuhls und kaute unruhig auf seinem Bleistift herum. Seine blumige Sprache reichte vermutlich nicht aus, die heruntergekommene Gestalt zu beschreiben und den Gestank, den sie im Gerichtssaal verbreitete.
    »Da ist sie also – Miss Ann Pebbles.« Richter Bent spuckte den Namen förmlich aus. Der feuchte Fleck breitete sich auf dem Pergament aus, er wischte die Spucke achtlos mit dem Ärmel zur Seite. Die frische Tinte ihres Namenszugs bekam Federn, als wolle sie davonfliegen. »Miss Pebbles …« Bentließ den Schreiber gar nicht erst zu Wort kommen, so dringend schien sein Bedürfnis, diese Person mitsamt ihrem verschmierten Papier loszuwerden. »Miss Pebbles wollte ganz schlau sein und hat New South Wales verlassen, weil sie wohl dachte, dass wir in Hobart nicht nach ihr suchen.«
    Ein Aufschrei ging durch den Raum. Hobart! An diesen unwirtlichen Ort in Van Diemens Land, der Insel auf der anderen Seite der Sydney-Passage, wurden nur die Schwerverbrecher gebracht – solche, die England sich mit dem Urteil »lebenslänglich« vom Hals schaffte oder die in New South Wales erneut straffällig geworden waren und mit denen nun anders umgesprungen werden musste. Diebe und Mörder, die bewiesen, dass der durch Begnadigungen und Lösescheine auf gesellschaftliche Integration abzielende Umgang mit Sträflingen nicht für jeden geeignet war. Und dass nichts Gutes daraus werden konnte, wenn man Verbrecher sozusagen frei herumlaufen ließ. Aber wo sollen sie denn hier schon hin?, fragten die Kolonialisten mit lockerem Gemüt. Vor uns liegt das Meer, hinter uns der Busch – wohin will man hier fliehen? Wozu diese Leute eigens einsperren? Damit sie nicht das tun, was sie in England schon getan haben, vertraten die Verfechter der harten Linie ihren Standpunkt.

Weitere Kostenlose Bücher