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Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga

Titel: Der Duft der Pfirsichblüte - eine Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rütten & Loening Verlag <Potsdam>
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zur Welt bringen«, sagte Mary kopfschüttelnd. »Du kannst arbeiten gehen –«
    »Arbeiten. Da haben sie mich rausgeschmissen.« Plötzlich grinste das Mädchen. Nein, sie war nicht wie Penelope. Und sie, Mary, konnte nichts für sie tun.
    »Er wird dich verhungern lassen, wenn du es nicht tust. Er kennt kein Pardon. Na los, mach schon.« Sie legte sich auf den Tisch und spreizte die Beine. Mary stand auf und zog sie angewidert vom Tisch. Sie legte ihr eine der Decken um und ging dann zur Tür.
    »Hua-Fei!«, rief sie. »Lass mich raus!«
    »Wo willst du denn hin?«, rief das Mädchen ihr hinterher. »Du kannst hier nicht weg, bevor du deine Arbeit gemacht hast! Du kommst hier nie raus!«
    Doch Hua-Fei war viel zu neugierig, um nicht nachzuschauen, was die Wunderheilerin wollte. Offenbar hatte er an der Tür gewartet, denn er öffnete sofort.
    »Du bist fertig?«, fragte er erstaunt.
    »Nein«, erwiderte Mary. »Ich werde jetzt gehen. Such dir für die Arbeit jemand anderen. Ich …«
    Plötzlich packte Hua-Fei sie mit seinen fetten Händen an den Schultern und stieß sie in den Raum hinein auf den Tisch zu, wo das Mädchen gelegen hatte. Unter seinen Fettmassen verbargen sich ungeahnte Körperkräfte, denn mühelos bugsierte er sie auf den Tisch, riss ihren Rock hoch und zwang sich ihr auf, obwohl sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, ihn biss und kratzte, zuletzteine blutige Spur in seinem Gesicht hinterließ. Er führte sein Geschäft dennoch bis zum Ende aus. Dann aber hob sie ihre Hand. Zwei ihrer Finger deuteten auf sein Gesicht, und sie kniff die Augen zusammen und fixierte ihn.
    »Nie wieder sollst du deinen Schwanz benutzen. Niemals wieder. Denk an mich.«
    Die Angst vor ihrem bösen Blick lag offenbar hinter ihm, denn er lachte nur verächtlich.
    »Und du wirst an mich denken, alte Hexe.« Hua-Fei warf sie hinaus auf die Straße, wo die Nacht hereinbrach und sich niemand nach ihr umschaute, keine der Dirnen, kein Seemann, niemand. Alle waren mit sich selber beschäftigt – damit, zu überleben, den nächsten Tag zu erleben, im Suff, oder im Rausch der Wolllust, allein oder zu zweit.
    Mary hatte in ihrem Leben viele Erniedrigungen hinnehmen müssen. Sie ignorierte die Pein ihres Körpers und hastete vorwärts, statt Zeit mit Tränen zu vergeuden, die ohnehin nichts ändern würden. Sie hatte sich genau überlegt, dass sie im Frauengefängnis am sichersten sein würde. Dort gab es immerhin regelmäßiges Essen.
     
    Eher halbherzig wurde sie zu einer Strafe verurteilt. »Flucht« und »Passierschein« hatte der Richter gemurmelt – und Mary konnte wieder in einem Bett schlafen. Fürs Erste war das gut so, sie pflegte ihre Wunden und versuchte zu vergessen, was im Haus des Chinesen geschehen war. Und am Ende hatte Mary sogar Glück. Die Aufseherin auf ihrem Flur war im Hof von einer Schlange gebissen worden und starb nach zwei Tagen im Fieberdelirium. Niemand war da, um die Arbeit zu übernehmen, so meldete sich Mary. Sie wurde für geeignet befunden, Zellen zu reinigen und bei der Essensverteilung zu helfen.
    »Hier oben im Gefängnis möchte ja niemand arbeiten«, sagte Jane, mit der sie sich die Arbeit teilte, »dabei versorgen sie einen hier. Der Platz ist so gut wie jeder andere.« Sie war einst wegen Wilderei zu sieben Jahren Deportation verurteilt worden.
    »Ein Kaninchen«, erklärte sie grimmig. »Nur ein verdammtes Kaninchen.«
    Solche Geschichten formten die Kolonie. Kaninchen, Taschentücher, Brote. New South Wales war das Land der Diebe und keinesfalls der Mörder, dachte Mary. Wenn der Gouverneur klug war, würde er ein gutes Land daraus machen und die geschickten Hände der Diebe nutzen. Jane fragte nicht nach Marys Vergehen. Wer nicht von selber erzählte, den ließ man schweigen und bedrängte ihn nicht. Sie bekümmerte lediglich, dass es erst mal unmöglich war, das Gefängnis zu verlassen, um das vornehme Haus aufzusuchen, wo ihre Tochter lebte.
     
    Die Dunkelheit umfing Penelope mit weichen Armen. Die Dunkelheit kannte sie gut, mit ihr konnte sie umgehen, sie machte ihr keine Angst. Sie hatte aufgehört, darüber nachzudenken, warum sie in der Dunkelheit sitzen musste. Das hatte ihr auf dem Schiff auch niemand erklärt. Hier gab es immerhin keine Ketten. Es roch nach altem Unrat und nach Algen, weil der Boden feucht war. Vielleicht befand sich Wasser in der Nähe. Es gab vier hölzerne Wände mit zugestopften Ritzen. Einen Blecheimer, der täglich geleert wurde, und die

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