Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der dunkle Fluss

Der dunkle Fluss

Titel: Der dunkle Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
gewesen. Wir waren zusammen aufgewachsen und hatten zusammen gelacht. Er war ein Raufbold und ein Trinker und arbeitete als Hilfsarbeiter auf der Farm, wenn es mal eng wurde. Drei Wochen zuvor hatte er mich angerufen, der Erste, der mich aufgespürt hatte, nachdem ich aus der Stadt gejagt worden war. Ich hatte keine Ahnung, wie er mich gefunden hatte, aber so schwer konnte es nicht gewesen sein. Danny war unverwüstlich, er war gut, wenn er in die Enge getrieben wurde, aber ein großer Denker war er nicht. Er hatte Hilfe gebraucht und mich gebeten, nach Hause zu kommen. Nein, hatte ich gesagt. Mein Zuhause hatte ich verloren. Komplett verloren.
    Aber der Anruf war nur der Anfang gewesen. Er hatte nicht wissen können, was er da mit mir anstellte.
    Der Parkplatz war unbefestigt, das Gebäude flach und lang gestreckt. Ich stellte den Motor ab und trat durch eine dreckige Glastür ein. Meine Hände legten sich auf die Theke, und ich betrachtete den einzigen Wandschmuck, einen Zehn-Penny-Nagel, an dem ein Dutzend vergilbte Luftauffrischer in Form von Tannenbäumen hingen. Ich atmete ein, roch aber keine Spur von Tannenduft. Ein alter Hispanic kam aus einem Hinterzimmer. Er hatte gepflegtes Haar und trug eine onkelhafte Strickjacke, und an dem Lederband um seinen Hals hing ein dicker Türkis. Sein Blick musterte mich mit geübter Lässigkeit, und ich wusste, was er sah: Ende zwanzig, groß und fit. Unrasiert, aber mit einem guten Haarschnitt und einer teuren Uhr. Kein Trauring. Narben an den Fingerknöcheln.
    Der Blick huschte an mir vorbei und hinaus zu meinem Wagen. Ich sah, wie er rechnete.
    »Ja, Sir?«, fragte er in einem respektvollen Ton, der in diesem Laden selten zu hören war. Er senkte den Blick, aber ich sah, wie gerade sein Rücken blieb, wie still seine kleinen, ledrigen Hände.
    »Ich möchte zu Danny Faith. Sagen Sie ihm, Adam Chase wäre da.«
    »Danny ist nicht hier«, sagte der alte Mann.
    »Wann kommt er zurück ?« Ich verbarg meine Enttäuschung.
    »Gar nicht, Sir. Er ist jetzt seit drei Wochen weg. Ich glaube nicht, dass er wiederkommt. Aber das Motel gehört noch seinem Vater. Den könnte ich holen, wenn Sie wollen.«
    Das musste ich erst verarbeiten. Rowan County brachte zwei Arten von Leuten hervor: Die einen waren zum Hierbleiben geboren, und die anderen mussten unbedingt weggehen. Danny gehörte zu Ersteren.
    »Wo ist er hin?«, fragte ich.
    Der Mann verzog die Mundwinkel und zuckte die Achseln eine müde Gebärde mit aufwärts gewandten Handflächen. »Er hat seine Freundin geschlagen. Sie ist da durch die Scheibe gefallen.« Wir warfen beide einen Blick auf die Glasscheibe hinter mir, und er zeigte noch einmal sein beinahe französisches Achselzucken. »Sie hat sich das Gesicht zerschnitten. Hat ihn angezeigt, und er ist verschwunden. Seitdem hat ihn niemand mehr gesehen. Soll ich Ihnen Mr. Faith holen ?«
    »Nein.« Ich war zu müde, um noch weiterzufahren, und noch nicht bereit, meinem Vater unter die Augen zu treten. »Haben Sie ein Zimmer frei?«
    » Sí. «
    »Dann also nur ein Zimmer.«
    Er musterte mich wieder. »Sind Sie sicher? Dass Sie hier ein Zimmer wollen?« Wieder zeigte er mir seine Handflächen.
    Ich zog meine Brieftasche heraus und legte einen Hundert-Dollar-Schein auf die Theke.
    » Sí «, sagte ich. »Ein Zimmer.«
    »Für wie lange?«
    Er sah weder mich noch den Hunderter an, sondern meine Brieftasche, deren Nähte von einem dicken Bündel großer Scheine zu platzen drohten. Ich klappte sie zu und steckte sie wieder ein.
    »Heute Abend bin ich wieder weg.«
    Er nahm den Hunderter, gab mir siebenundsiebzig Dollar heraus und sagte, die Nummer dreizehn sei frei, wenn die Zahl mich nicht störe. Die Zahl sei kein Problem, sagte ich. Er gab mir den Schlüssel, und ich ging. Er sah mir nach, als ich den Wagen zum Ende der Reihe fuhr.
    Ich trat ein und schob die Kette vor.
    Das Zimmer roch nach Schimmel und nach der Dusche des letzten Bewohners, aber es war dunkel und still, und nachdem ich tagelang nicht geschlafen hatte, war es genau richtig. Ich schlug die Bettdecke zurück, streifte die Schuhe ab und ließ mich auf das schlaffe Laken fallen. Kurz dachte ich an Hoffnung und Zorn und fragte mich, welches dieser beiden Gefühle am stärksten in mir sei. Ich war nicht sicher; also traf ich eine Entscheidung. Hoffnung, bestimmte ich. Ich würde mit einem Gefühl der Hoffnung aufwachen.
    Ich schloss die Augen, und das Zimmer neigte sich. Es war, als stiege ich in die Höhe und

Weitere Kostenlose Bücher