Der dunkle Geist des Palio (German Edition)
danach war alles ganz selbstverständlich geworden und Angelo hatte mit seiner aufrichtigen Art ihr Herz im Sturm erobert. »›Die oder keine‹, habe ich gedacht, als ich dich sah«, verriet er ihr an ihrem ersten gemeinsamen Abend. Sein Verhältnis mit Antonia hatte er zu diesem Zeitpunkt längst beendet.
Maria hatte schnell gespürt, dass er meinte, was er sagte. Angelo sehnte sich ebenso nach wahrer Liebe wie sie. Vielleicht war er deswegen früher so unstet gewesen, weil er der richtigen Frau noch nicht begegnet war. In Maria hatte er sie endlich gefunden, und Maria hatte nie einen Grund gehabt, daran zu zweifeln, dass seine Liebe zu ihr aufrichtig und tief war.
Jetzt erinnerte sie sich daran, wie Angelo und sie sich am gestrigen Abend erschreckt hatten, als plötzlich das Fenster hinter ihnen aufschwang, während sie ihm die traurige Geschichte ihrer Vorfahrin Eva Maria Morelli erzählte. Jemand musste das alte Fenster nachlässig geschlossen haben, sodass ein leichter Windstoß reichte, um es aufzustoßen. Und sie erinnerte sich daran, dass Angelo gesagt hatte, ihre beiden Geschichten würden sich ähneln. Wie recht er doch hatte. Das war ihr bis jetzt gar nicht aufgefallen!
»Aber das Ende wird bei unserer Geschichte ein anderes sein«, sagte sie lächelnd zu ihrem Spiegelbild und legte die Bürste auf die Ablage. Immerhin waren seit damals weit mehr als hundert Jahre vergangen und vieles, wenn auch nicht alles, hatte sich geändert.
Maria wollte gerade nach ihrem Push-up-BH greifen, der über dem Handtuchhalter bereitlag, als die Tür mit Schwung aufgestoßen wurde. Erschrocken wirbelte sie herum – und blickte in Antonias Gesicht, die einen Putzlappen in der Hand hielt und nicht weniger erschrocken aussah als Maria.
»Oh … mi scusi … Signorina Morelli«, stotterte Antonia, sichtlich verlegen. Dabei flackerte ihr Blick unstet zwischen Marias Gesicht und ihren nackten Brüsten hin und her.
Maria versuchte, Haltung zu bewahren und ihre Blöße mit den Armen zu verstecken, während ihr gleichzeitig peinlich bewusst wurde, dass Antonia Angelos Ex-Freundin war und vielleicht ein besonderes Interesse daran hatte, ihre Figur zu begutachten. Gleich fühlte sie sich noch unwohler, zumal sie nur davon träumen konnte (was sie auch oft genug tat), so wundervoll geformte Brüste wie Antonia zu besitzen, die sich unter ihrer eng sitzenden Bluse deutlich abzeichneten.
Um so lieber hätte sie das Hausmädchen jetzt gern so richtig angefahren, was ihr einfiele, an einem Sonntagmorgen einfach so in ihr Badezimmer zu platzen. Sonntags bestand ihre Aufgabe ausschließlich darin, das Mittagessen für Signore Morelli zuzubereiten. Hier oben hatte sie also nichts zu suchen!
Doch dann wurde Maria bewusst, dass sie die Badezimmertür auch einfach hätte abschließen können. Außerdem fiel es ihr nach wie vor schwer, Antonia für irgendetwas zur Rechenschaft zu ziehen, seit sie ihr den Freund ausgespannt hatte.
Früher hatte sie sich oft mit Antonia angelegt, die die Unart besaß, sämtliche Unterlagen auf ihrem Schreibtisch durcheinanderzubringen, indem sie sie zu völlig unübersichtlichen Stapeln »ordnete«. Da lagen dann plötzlich persönliche Briefe zwischen Schulunterlagen und Quittungen zwischen alten Zeitschriftenseiten. Einmal hatte Maria deswegen sogar eine Schularbeit abgegeben, in der ein sehr persönlicher Brief von ihrer Freundin Claudia an sie gesteckt hatte, und ihr Lehrer hatte ihr den Brief mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen zurückgegeben. Manchmal hatte Maria sogar das Gefühl, Antonia wolle sie damit absichtlich ärgern. Oder sie schnüffele heimlich in ihren Papieren. Jedenfalls hatte sie Antonia noch nie besonders gut leiden können und ihrer Ehrlichkeit immer misstraut. Auch wenn sie dafür keinerlei Beweise hatte.
Mittlerweile hatte sie es sich jedoch vollkommen abgewöhnt, etwas zu sagen. Zu dankbar war sie dafür, dass Antonia nicht gekündigt hatte und ihr und Angelo augenscheinlich nichts nachtrug. Wäre es anders gewesen, hätte sie ihrem Vater gegenüber Rechenschaft ablegen müssen, der nicht wusste, dass Angelo vorher mit Antonia zusammen gewesen war.
»Es tut mir wirklich leid, Signorina«, entschuldigte sich Antonia jetzt ein zweites Mal. »Ich habe es am Freitag nicht mehr geschafft, Ihr Bad zu putzen, da dachte ich …«
Maria zwang sich zu einem Lächeln. »Schon gut, Antonia, ich bin gleich fertig. Wenn Sie mir bitte noch zehn Minuten Zeit
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