Der dunkle Kreuzzug
gedeckten Dächer von Florenz, bis er in die goldene Kuppel von Santa Reparata einschlug, den alten Duomo, die Kathedrale, in der der große Brunelleschi zur Ruhe gebettet war und die Pazzi versucht hatten, i Medici zu töten, als der Kardinal der Stadt die heilige Hostie hochhielt … Die Worte von Savonarola hatten in Niccolòs Ohren und denen der anderen Florentiner nachgehallt: »Siehe das Schwert Gottes über der Erde, schnell und geschwind.«
… ein Blitz. Ein Blitz hatte Nic getroffen, der sich für unbesiegbar, für unendlich erweiterbar gehalten hatte, der alles sah und hörte, der die … wie hatte Mya’ar es genannt? … die Armee des Sonnenuntergangs um sich scharte.
Stone.
Das war sein Werk – seine Art, ihn zu Fall zu bringen, nachdem er ihn aufgebaut hatte. Er konnte durchaus Shrnu’u HeGa’u für die Zor sein, die immer alles aus dieser Perspektive betrachteten – oder besser noch: Sharnu -, und Stone war Hesya, der ihn bei K’ka’e’el, dem Gewundenen Kamm, verriet, so wie er auch die Legion von esLi bei Thaera verraten hatte. Alles stürmte jetzt auf ihn ein: das Begreifen, die Analyse aller Aspekte, die zu diesem Punkt geführt hatten.
Das war sein Werk.
»Stone«, rief Nic in Tonio St. Giles’ leerem Büro im Pali Tower. Überall im Sol-Imperium riefen eine halbe Million Kopien der Nic-KI zur gleichen Zeit den gleichen Namen und erschreckten oder verängstigten damit Leute, denen nicht bewusst war, dass sich jemand mit ihnen in einem Raum aufhielt.
»Sie müssen nicht so brüllen«, sagte Stone. Die Tür zum Büro war offen, Stone stand da und lächelte auf seine übliche ironische Weise. »Ich habe Sie gehört, sogar jeden Einzelnen von Ihnen.«
»Was haben Sie getan?«
»Was ich getan habe?« Stone ging zu einem Beistelltisch und bewunderte eine Blumenvase – eine Geste, die Nic unzählige Male vollzogen hatte, bevor und nachdem Stone ihm Empfindungsfähigkeit verliehen hatte. »Ich habe vieles getan. Und ich tue immer noch vieles. Gab es etwas Bestimmtes?«
»Der Riss! Was ist mit dem Riss geschehen?«
»Der ist fort, alter Junge.« Stone legte die Hände zusammen, dann löste er sie voneinander. »Verschwunden. Zwar verdammt unpraktisch, aber das lässt sich nicht ändern.«
»Warum haben Sie ihn verschwinden lassen?«
»Ich? Nein, tut mir leid, aber das gehört nicht zu den Dingen, die ich gemacht habe. Oder mache. Das kam völlig überraschend.«
Nic wusste nicht, was er darauf sagen sollte. »Sie … Sie haben den Riss nicht zerstört?«
»Wirklich nicht. Es wäre entsetzlich schwierig, ohne den Riss
den Kreuzzug zum Abschluss zu bringen – warum sollte ich ihn also zerstören? Er ist weg, weil ein einzelnes ungestümes Individuum es sich auf einmal anders überlegt hat, welchen Weg es gehen will. Das gyaryu wurde auf eine unerwartete Weise eingesetzt.«
» Laperriere hat den Riss zerstört?«
»Überraschenderweise nicht. Es war Ch’en’ya. Viel ungestümer als Laperriere, Niccolò. Aber manchmal … mit Blick auf ihre lange und herausragende Karriere … aber ich schweife ab. Durch diese Entwicklung gibt es jetzt nur ein Problem: Sie ist da draußen , gut achttausend Parsec entfernt – und das Imperium und das Hohe Nest sind hier . Diesmal gibt es kein gyaryu , das die Krieger von Shr’e’a verteidigen kann.«
Nic überlegte einen Moment lang.
»Sie sollten sich lieber um Ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, Nic.«
Zwei Sekunden verstrichen, dann zwei weitere Sekunden. Überall im Sol-Imperium hielten die immer noch durch die Bänder des or’a’th’n miteinander verbundenen Kopien der Nic-KI mitten in ihren Tätigkeiten inne und stellten ihre Kapazitäten dem Masterprogramm im Pali Tower zur Verfügung. Dieses Masterprogramm sah sich mit dem Vertreter einer Macht konfrontiert, deren Motive und Möglichkeiten sogar sein Auffassungsvermögen überstiegen.
»Commander St. Giles«, sagte er dann und drehte die linke Hand mit der Innenfläche nach oben, wo ein Daten-Holo erschien. »In einem Aircar mit Ziel Kauai. Was plant er?«
Stone lächelte.
»Sie wissen, was er vorhat, nicht wahr?«
»Sie vermuten Allwissenheit, wo nur ein sehr, sehr großes Wissen vorhanden ist, Nic.«
Eine weitere Sekunde war der Analyse gewidmet, dann traf er eine Entscheidung. Er schloss die Hand um das Daten-Holo, das daraufhin verschwand.
Kauai Channel Sol-System
Das Aircar, das Antonio St. Giles lenkte, geriet plötzlich außer Kontrolle. Bis gerade eben war es
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