Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
Sie war unerbittlich. Er hat ein Loch im Kopf, in das du beinahe deine Faust stecken könntest. Er wird sterben.
Darauf konnte die zweite Stimme nur immer mit weiterem Leugnen antworten, das aber von Mal zu Mal schwächer wurde.
Nicht einmal das Wissen, dass sie wahrscheinlich den Balken gerettet hatten (Sheemie schien das jedenfalls zu glauben; er war kreuz und quer durchs unheimlich stille Devar-Toi gelaufen und hatte die frohe Botschaft – BALKEN SAGT, DASS ALLES NOCH GUT WERDEN KANN! BALKEN SAGT SEINEN DANK! – lauthals verkündet), konnte Jake trösten. Eddie zu verlieren war ein selbst für diesen glücklichen Ausgang zu hoher Preis. Und das Zerbrechen des Tet war ein noch weit höherer Preis. Jake wurde bei jedem Gedanken daran speiübel, und er schickte undeutliche Gebete zu Gott, zu Gan, zum Jesusmenschen hinauf und flehte sie an, einzeln oder gemeinsam ein Wunder zu tun und Eddie das Leben zu retten.
Er betete sogar zu dem Schriftsteller.
Rette das Leben meines Freundes, dann retten wir deines, betete er zu Stephen King, zu einem Mann, den er noch nie gesehen hatte. Rette Eddie, dann lassen wir nicht zu, dass dieses Auto dich überfährt. Das verspreche ich hoch und heilig.
Dann musste er wieder daran denken, wie Susannah Eddies Namen geschrien hatte, wie sie versucht hatte, ihn umzudrehen, und wie Roland sie in die Arme genommen und gesagt hatte: Das darfst du nicht, Susannah, du darfst ihn nicht bewegen, und wie sie sich gegen ihn gewehrt hatte – mit Wahnsinn im Blick, mit ständig wechselndem Ausdruck auf dem Gesicht, als unterschiedliche Persönlichkeiten es für kurze Zeit okkupierten, um schließlich wieder zu flüchten. Ich muss ihm helfen!, schluchzte sie mit der Susannah-Stimme, die Jake kannte, um im nächsten Augenblick mit einer anderen, raueren Stimme zu kreischen: Lass mich los, Motherfucker! Lass mich mein Voodoo an ihm praktiziern, mein Hokuspokus machn, dann steht er auf und geht wieder, wirst schon sehn! Echt! Und Roland hatte sie die ganze Zeit in den Armen gehalten, hatte sie umarmt und gewiegt, während Eddie auf der Straße lag, aber nicht tot war; es wäre fast besser gewesen, wenn er tot gewesen wäre (auch wenn tot bedeutete, dass man nicht mehr auf Wunder hoffen durfte, dass es keine Hoffnung mehr gab), aber Jake konnte sehen, wie Eddies Finger im Staub zuckten, und konnte hören, dass er unzusammenhängendes Zeug vor sich hin murmelte wie jemand, der im Schlaf redete.
Dann war Ted gekommen, unmittelbar hinter ihm Dinky und schließlich noch zwei oder drei der anderen Brecher, die ihnen zögernd gefolgt waren. Ted hatte sich neben der sich wehrenden, schreienden Frau niedergekniet und Dinky ein Zeichen gegeben, sich auf ihrer anderen Seite hinzuknien. Dann hatte er ihre Hand ergriffen und Dinky zugenickt, die andere zu nehmen. Und dann war etwas aus ihnen geflossen – etwas, was tief und beruhigend war. Es war nicht für Jake bestimmt, nein, durchaus nicht, aber er fing trotzdem einiges davon auf und spürte, wie sein wild jagendes Herz allmählich langsamer schlug. Er blickte in Ted Brautigans Gesicht und sah, dass dessen Augen wieder ihr Kunststück aufführten, bei dem die Pupillen immer größer und kleiner, größer und kleiner wurden.
Susannahs Schreie wurden leiser und flauten zu schmerzlichen kleinen Seufzern ab. Sie blickte auf Eddie hinab, und als sie den Kopf senkte, fielen Tränen aus ihren Augen auf den Rücken von Eddies Hemd und hinterließen dort dunkle Spuren wie von Regentropfen. Dann tauchte Sheemie aus einer der Gassen auf, verkündete allen, die sie hören wollten, lauthals seine frohe Botschaft – »BALKEN SAGT NICHT ZU SPÄT! BALKEN SAGT GEBADE NOCH BECHTZEITIG, BALKEN SAGT SEINEN DANK UND DASS WIR IHN HEILEN LASSEN MÜSSEN!« –, wobei er stark humpelte, als hätte er sich am Fuß verletzt (keiner der Anwesenden dachte sich etwas dabei oder bemerkte es auch nur). Dinky wandte sich murmelnd an die wachsende Menge von Brechern, die den tödlich verletzten Revolvermann anstarrte, worauf einige davon zu Sheemie gingen und dafür sorgten, dass er den Mund hielt. Im Hauptsektor des Devar-Toi schrillten weiter die Feuermelder, aber die hinzugekommenen Löschfahrzeuge sollten die drei schlimmsten Brände (Damli House, Shapleigh House und Feveral Hall) irgendwann tatsächlich unter Kontrolle bringen.
Woran Jake sich als Nächstes erinnerte, war das Bild von Teds Fingern – unglaublich sanften Fingern –, wie sie das Haar auf Eddies Hinterkopf teilten
Weitere Kostenlose Bücher