Der Dunkle Turm 7 - Der Turm
einen Kreis bildeten. Sie erinnerten an Teilnehmer einer Séance. Sheemie war da, und Ted, und Dani Rostov; bei den anderen handelte es sich um eine junge Frau, eine ältere Frau und einen stämmigen Mann, der wie ein Bankier aussah. Hinter ihnen lagen die fast fünfzig Wachen, die bei dem kurzen Gefecht umgekommen waren. Sie waren unter Wolldecken aufgereiht, sodass nur ihre Stiefelspitzen zu sehen waren.
»Weißt du, was sie tun?«, fragte Jake und meinte damit die Séance-Folken – die hinter ihnen waren einfach tot, eine Aufgabe, die sie in Zukunft ganz ausfüllen würde.
Roland sah flüchtig zu dem Kreis aus Brechern hinüber. »Ja.«
»Was denn?«
»Nicht jetzt«, sagte der Revolvermann. »Erst einmal machen wir Eddie unsere Aufwartung. Du wirst dazu alle Gemütsruhe brauchen, die du aufbringen kannst, was wiederum voraussetzt, dass du dich ganz von äußeren Einflüssen frei machst.«
4
Als Jake jetzt mit Oy vor der leeren Kleeblatt-Taverne mit ihren Bierreklamen aus Leuchtstoffröhren und der stummen Jukebox hockte, dachte er darüber nach, wie Recht doch Roland gehabt hatte und wie dankbar er selbst gewesen war, als der Revolvermann ihn nach ungefähr einer Dreiviertelstunde angesehen, seine schreckliche Seelenpein erkannt und ihm gestattet hatte, das Zimmer zu verlassen, das Zimmer, in dem Eddie dahinsiechte, wobei er seine Vitalität nur Stück für Stück aufgab und jeden letzten Zentimeter seines Lebensgewebes mit seinem bemerkenswerten Willen prägte.
Die von Ted Brautigan organisierten Krankenträger hatten den jungen Revolvermann nach Corbett Hall gebracht, wo er im Erdgeschoss das geräumige Schlafzimmer der Präfektenwohnung bekam. Die Krankenträger blieben danach im Innenhof des Wohnheims stehen, und dort gesellten sich im Lauf des Nachmittags die übrigen Brecher hinzu. Als Roland und Jake eintrafen, hatte eine mollige Rothaarige dem Revolvermann den Weg vertreten.
Lady, das würde ich lieber nicht tun, hatte Jake gedacht. Nicht heute Nachmittag.
Trotz des Lärms und Getümmels am heutigen Tag hatte diese Frau – Jake fand, dass sie der Ehrenpräsidentin des Gartenvereins seiner Mutter ziemlich ähnlich sah – Zeit gefunden, verhältnismäßig viel Make-up aufzulegen: Puder, Rouge und Lippenstift, so rot wie ein hiesiges Feuerwehrauto. Sie stellte sich als Grace Rumbelow vor (ehemals aus Aldershot, Hampshire, England) und verlangte zu wissen, was als Nächstes geschehe – wohin sie gehen würden, was sie tun sollten, wer sich um sie kümmern würde. Mit anderen Worten: Sie stellte dieselben Fragen wie der Gockel-Taheen.
»Man hat uns nämlich bislang versorgt«, sagte Grace Rumbelow mit lauter, klarer Stimme und britischem Akzent. »Zumindest fürs Erste sind wir nicht in der Lage, uns selbst zu versorgen.«
Lärmende Zustimmung von allen Seiten.
Roland musterte die Dame von oben bis unten, und etwas in seiner Miene beraubte sie ihrer sorgfältig kalkulierten Empörung. »Geht mir aus dem Weg«, sagte der Revolvermann, »sonst stoße ich Euch nieder.«
Die Frau wurde unter ihrem Rouge ganz blass und tat wie befohlen, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Vogelähnliches Gezwitscher, das wohl Missfallen ausdrückte, folgte Jake und Roland bis nach Corbett Hall hinein, allerdings hatte es erst eingesetzt, nachdem der Revolvermann außer Sicht war und sie nicht länger fürchten mussten, in den Bann des beunruhigenden Blicks seiner blauen Augen zu geraten. Die Brecher erinnerten Jake an manche seiner Altersgenossen an der Piper School: die Schwachköpfe, die immer am lautesten Sachen wie Die Arbeit war Scheiße! oder Leck mich fett! brüllten … aber nur, wenn der Lehrer nicht im Zimmer war.
Der Flur im Erdgeschoss von Corbett Hall wurde von Neonröhren erhellt und roch stark nach dem Brandrauch von Damli House und Feveral Hall. Rechts neben einer Tür mit dem Schild PRÄFEKTENSUITE saß Dinky Earnshaw auf einem Klappstuhl und rauchte eine Zigarette. Er sah auf, als Roland und Jake herankamen, wobei Oy dem Jungen dichtauf folgte.
»Wie geht’s ihm?«, fragte Roland.
»Er stirbt, Mann«, sagte Dinky achselzuckend.
»Und Susannah?«
»Hält sich wacker. Aber wenn er erst einmal tot ist …« Dinky zuckte nochmals die Achseln, um anzudeuten, dass es dann so oder so ausgehen könne.
Roland klopfte leise an die Tür.
»Wer ist da?« Susannahs Stimme klang gedämpft.
»Roland und Jake«, sagte der Revolvermann. »Dürfen wir reinkommen?«
Auf seine Frage folgte eine
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