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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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musste – weckten sie bald wieder. Draußen tobte der Orkan weiter, obwohl sein Heulen jetzt nicht mehr so gleichmäßig war wie zuvor. Manchmal wurde er etwas schwächer, schien bisweilen ganz zu verstummen, setzte dann aber wieder ein und kreischte lange, eisige Schreie, während er in kalten Strömen unter dem Dachvorsprung entlanglief und das Stein gebäude in seinen alten Knochen erzittern ließ. Die massive Tür krachte rhythmisch gegen den Querriegel, mit dem sie gesichert war, aber wie die Decke über ihnen schienen Klammern und Riegel zu halten. Susannah fragte sich, was aus ihnen geworden wäre, wenn der Holzriegel so verrottet gewesen wäre wie der Henkel des Eimers, den sie in der Nähe des Gooks gefunden hatten.
    Roland war wach und saß am Feuer. Jake leistete ihm Gesellschaft. Zwischen den beiden lag Oy, der mit einer Pfote über der Schnauze schlief. Susannah gesellte sich zu ihnen. Das Feuer war etwas heruntergebrannt, aber aus dieser Nähe fühlte es sich auf Gesicht und Armen beruhigend warm an. Sie griff nach einem Brett, wollte es in zwei Teile brechen, überlegte sich dann aber, dass Eddie davon aufwachen könnte, und warf es ganz ins Feuer. Funken stoben in den Kamin hinauf, wo die kalte Luft sie verwirbelte.
    Diese Rücksichtnahme hätte sie sich sparen können, denn noch während die Funken tanzten, liebkoste eine Hand ihren Nacken dicht unter dem Haaransatz. Sie brauchte nicht hinzusehen; diese Berührung hätte sie überall erkannt. Ohne sich umzudrehen, ergriff sie die Hand, führte sie an ihre Lippen und küsste die Innenseite. Die weiße Handfläche. Auch nachdem sie jetzt so lange zusammen waren und sich so oft geliebt hatten, konnte sie das manchmal kaum glauben. Trotzdem war es eine Tatsache.
    Wenigstens muss ich ihn nicht nach Hause mitnehmen und meinen Eltern vorstellen, dachte sie.
    »Du konntest nicht schlafen, Schatz?«
    »Nur ein bisschen. Nicht viel. Ich hatte komische Träume.«
    »Die bringt der Wind«, sagte Roland. »In Gilead würde dir das jeder sagen. Irgendwie mag ich das Windgeheule aber. Das war schon immer so. Es beruhigt mich tief im Innern und erinnert mich an alte Zeiten.«
    Er sah beiseite, als machte es ihn verlegen, so viel gesagt zu haben.
    »Keiner von uns kann schlafen«, sagte Jake. »Erzähl uns also eine Geschichte.«
    Roland starrte eine Zeit lang ins Feuer, dann sah er zu Jake hinüber. Der Revolvermann lächelte jetzt wieder, aber sein Blick wirkte wie weggerückt. Im Kamin zerplatzte knackend ein Astknorren. Außerhalb der Steinmauern kreischte der Wind, als wäre er zornig über seine Unfähigkeit, hier einzudringen. Eddie legte einen Arm um Susannahs Taille, worauf sie den Kopf an seine Schul ter schmiegte.
    »Was für eine Geschichte möchtest du denn hören, Jake, Sohn von Elmer?«
    »Irgendeine.« Jake hielt kurz inne. »Eine über die alten Zeiten.«
    Roland sah zu Eddie und Susannah hinüber. »Und ihr? Möchtet ihr eine hören?«
    »Ja, bitte«, sagte Susannah.
    Eddie nickte. »Yeah. Das heißt, wenn du Lust hast.«
    Roland überlegte. »Vielleicht erzähle ich euch ja sogar zwei. Bis zum Morgengrauen ist es lange hin, und den morgigen Tag können wir ruhig verschlafen, wenn wir wollen. Die eine Geschichte steckt in der anderen. Aber durch beide weht der Wind hindurch, was eine gute Sache ist. In einer stürmischen Nacht, in der man in einer kalten Welt ein warmes Plätzchen gefunden hat, gibt’s nichts Besseres als Geschichten.«
    Er griff nach einem abgebrochenen Stück Wandtäfelung, scharrte damit die Glut zusammen und warf das Holz dann ins Feuer.
    »Eine davon ist eine wahre Geschichte, die ich mit meinem Ka-Tet -Gefährten Jamie DeCurry selbst erlebt habe. Die andere – ›Der Wind durchs Schlüsselloch‹ – ist eine, die mir meine Mutter vorgelesen hat, als ich noch klein war. Alte Geschichten können nützlich sein, wisst ihr, und speziell diese hätte mir gleich einfallen müssen, als ich gesehen habe, wie Oy in die Luft geschnüffelt hat, aber das ist alles schon lange her.« Roland seufzte. »Vergangene Zeiten.«
    Im Dunkel außerhalb ihrer von Feuerschein erhellten kleinen Höhle steigerte der Wind sich wieder einmal zu einem wilden Kreischen. Roland wartete, bis er ein wenig abgeflaut war, dann fing er an zu erzählen. Eddie, Susannah und Jake hörten in dieser langen, stürmischen Nacht wie gebannt zu. Die Stadt Lud, der Ticktackmann, Blaine der Mono, der Grüne Palast – alles war vergessen. Sogar der Dunkle Turm selbst

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