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Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Der dunkle Turm - Gesamtausgabe

Titel: Der dunkle Turm - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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blaues Leuchten in der Dunkelheit aufblitzen. Nicht aufgeben. Was in ihm nicht stimmte, konnte ihm letztendlich doch noch die geistige Gesundheit rauben, aber bis dahin würde er ihm nicht nachgeben. Falls doch, sollte ihn der Teufel holen.
    Niemals! dachte er verbissen. Niemals! Nie…
    »Wenn du die Inventur der Vorräte in der Garderobe abgeschlossen hast, John, könntest du dich vielleicht zu uns gesellen«, sagte Ms. Avery mit ihrer trockenen, kultivierten Stimme hinter ihm.
    Leises Kichern kam auf, als Jake sich von dem Garderobenraum abwandte. Ms. Avery stand hinter ihrem Schreibtisch, hatte die langen Finger leicht auf die Unterlage gestützt und sah ihn mit ihrem ruhigen, intelligenten Gesicht an. Heute trug sie ihren blauen Hosenanzug und hatte das Haar wie üblich zu einem Knoten hochgesteckt. Nathaniel Hawthorne sah über ihre Schultern und betrachtete Jake stirnrunzelnd aus seinem Bilderrahmen an der Wand.
    »Tut mir leid«, sagte Jake und machte die Tür zu. Sofort überkam ihn der fast übermächtige Impuls, sie wieder aufzumachen, noch einmal nachzusehen und zu überprüfen, ob die andere Welt mit ihrer heißen Sonne und dem Wüstenpanorama diesmal dasein würde.
    Statt dessen ging er zu seinem Platz zurück. Petra Jesserling sah ihn mit fröhlichen, tanzenden Augen an. »Nimm mich nächstes Mal mit da rein«, flüsterte sie. »Dann hast du was, das sich anzusehen lohnt.«
    Jake lächelte auf zerstreute Weise und ließ sich auf den Stuhl fallen.
    »Danke, John«, sagte Ms. Avery mit ihrer ewig ruhigen Stimme. »Bevor ihr nun eure Abschlußaufsätze abgebt – die alle sehr gut, sehr sorgfältig und sehr spezifisch sein werden, da bin ich ganz sicher –, möchte ich gerne die Liste der empfohlenen Sommerlektüre der englischen Fakultät austeilen. Ich werde über einige dieser vorzüglichen Bücher ein paar Worte sagen…«
    Während sie sprach, gab sie David Surrey einen kleinen Stapel hektographierter Blätter. David teilte sie aus, und Jake schlug seinen Ordner auf, damit er einen letzten Blick darauf werfen konnte, was er zum Thema Mein Verständnis von Wahrheit geschrieben hatte. Es interessierte ihn aufrichtig, weil er sich nicht mehr daran erinnern konnte, wie er seinen Abschlußaufsatz geschrieben hatte, ebensowenig wie er sich erinnern konnte, ob er für die Französischprüfung gelernt hatte.
    Er betrachtete die Titelseite verwirrt und mit wachsendem Unbehagen. MEIN VERSTÄNDNIS VON WAHRHEIT von John Chambers, war fein säuberlich in die Mitte des Blatts getippt, und das war richtig so, aber darunter hatte er aus irgendwelchen Gründen zwei Bilder geklebt. Eines zeigte eine Tür – er glaubte, es war die von Downing Street Nr. 10 in London –, das andere eine amphibische Zugmaschine. Es waren Farbbilder, die er zweifellos aus einer Zeitschrift ausgeschnitten hatte.
    Warum habe ich das gemacht? Und wann habe ich es gemacht?
    Er blätterte die Seite um und betrachtete das erste Blatt seines Abschlußaufsatzes, ohne zu glauben oder zu verstehen, was er da sah. Als das Begreifen schließlich durch seinen Schock sickerte, verspürte er ein eskalierendes Gefühl der Panik. Es war also endlich passiert; er hatte den Verstand so weit verloren, daß andere Menschen es bemerken würden.
     
     

3
     
    Mein Verständnis von Wahrheit
    Von Jake Chambers
     
    »Ich zeige dir die Angst in einer Handvoll Staub.«
    T. S. »Butch« Eliot
     
    »Zuerst durchfuhr mich’s: Lug ist, was er spricht.«
    Robert »Sundance« Browning
     
    Der Revolvermann ist die Wahrheit.
    Roland ist die Wahrheit.
    Der Gefangene ist die Wahrheit.
    Die Herrin der Schatten ist die Wahrheit.
    Der Gefangene und die Herrin sind verheiratet. Das ist die Wahrheit.
    Das Rasthaus ist die Wahrheit.
    Der sprechende Dämon ist die Wahrheit.
    Wir sind unter den Bergen gereist, und das ist die Wahrheit.
    Unter den Bergen haben Ungeheuer gehaust. Das ist die Wahrheit.
    Eines hatte eine Zapfsäule von Amoco zwischen den Beinen und tat so, als wäre diese sein Penis.
    Das ist die Wahrheit.
    Roland hat mich sterben lassen. Das ist die Wahrheit.
    Ich liebe ihn immer noch.
    Das ist die Wahrheit.
     
    »Und es ist sehr wichtig, daß ihr alle Der Herr der Fliegen lest«, sagte Ms. Avery mit ihrer deutlichen, aber irgendwie farblosen Stimme. »Und dabei müßt ihr euch bestimmte Fragen stellen. Ein guter Roman ist häufig wie eine Reihe von Rätseln innerhalb von Rätseln, und dies ist ein sehr guter Roman – einer der besten, die in der zweiten

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