Der dunkle Turm - Gesamtausgabe
Feuerstein.
»Hier.« Brown holte ein Schwefelholz hervor und entzündete es an einem schmutzigen Fingernagel. Der Revolvermann hielt die Spitze seiner Zigarette in die Flamme und zog. »Danke.«
»Du wirst deine Schläuche füllen wollen«, sagte der Grenzbewohner und wandte sich ab. »Die Quelle ist hinten unter dem Vorsprung. Ich mache das Essen.«
Der Revolvermann trat vorsichtig über die Getreidereihen und ging nach hinten. Die Quelle befand sich auf dem Grund eines handgegrabenen Brunnens, der mit Steinen eingefaßt war, damit der pulvrige Boden nicht einbrach. Während er die baufällige Leiter hinunterkletterte, überlegte der Revolvermann, daß mindestens zwei Jahre Arbeit in dieser Steinmauer stecken mußten – ausbrechen, herschleppen, aufschichten. Das Wasser war klar, floß aber nur träge, daher war es ein langwieriges Geschäft, die Schläuche zu füllen. Als er den zweiten füllte, flatterte Zoltan auf den Brunnenrand.
»Scheiß auf dich und das Pferd, auf dem du geritten bist«, empfahl er.
Er sah erschrocken auf. Der Schacht war knapp fünf Meter tief: Brown hätte mit Leichtigkeit einen Stein auf ihn werfen, ihm den Schädel brechen und ihm alles stehlen können. Ein Verrückter oder ein Verfaulender hätte das nicht getan; Brown war keines von beidem. Doch er mochte Brown, daher verdrängte er die Vorstellung aus seinen Gedanken und holte sich den Rest seines Wassers. Was geschehen sollte, würde geschehen.
Als er zur Tür der Hütte hereinkam und die Stufen hinabschritt (der Hauptteil der Hütte lag unter der Erdoberfläche, damit die Kälte der Nacht eingefangen und gespeichert wurde), füllte Brown gerade mit einem Hartholzlöffel Getreide in Henkeltöpfe über den glühenden Kohlen einer winzigen Feuerstelle. Zwei angeschlagene Teller standen an gegenüberliegenden Plätzen auf einer Tischdecke. Das Wasser für die Bohnen fing im Topf über dem Feuer gerade an zu kochen.
»Ich bezahle auch das Wasser.«
Brown sah nicht auf. »Das Wasser ist ein Geschenk Gottes. Die Bohnen bringt Pappa Doc.«
Der Revolvermann grunzte ein Lachen und setzte sich mit dem Rücken zu einer unbearbeiteten Wand, überkreuzte die Arme und machte die Augen zu. Nach einer Weile drang ihm der Geruch von röstendem Getreide in die Nase. Er vernahm ein körniges Rascheln, als Brown eine Papiertüte getrockneter Bohnen ins Wasser schüttete. Ab und zu ein Tak-tak-tak, wenn Zoltan rastlos auf dem Dach herumlief. Er war müde; zwischen hier und dem Grauen, das sich in Tull abgespielt hatte, dem letzten Dorf, war er sechzehn, manchmal achtzehn Stunden lang unterwegs gewesen; das Maultier war am Ende seiner Leistungsfähigkeit.
Tak-tak-tak.
Zwei Wochen, hatte Brown gesagt, möglicherweise sechs. Einerlei. In Tull hatten sie Kalender gehabt, und sie hatten sich an den Mann in Schwarz erinnert, weil er auf der Durchreise einen alten Mann erweckt hatte. Einen alten Mann, der am Gras zugrunde gegangen war. Einen alten Mann von fünfunddreißig Jahren. Und wenn Brown recht hatte, hatte der Mann in Schwarz seither einen Teil seines Vorsprungs verloren. Aber nun kam die Wüste. Und die Wüste war die Hölle.
Tak-tak-tak.
– Gib mir deine Flügel, Vogel. Ich werde sie ausbreiten und mit den Aufwinden fliegen.
Er schlief ein.
3
Brown weckte ihn fünf Stunden später. Es war dunkel. Das einzige Licht war das dunkle, kirschrote Glühen der Kohlen im Feuer.
»Dein Maultier ist gestorben«, sagte Brown. »Das Essen ist fertig.«
»Wie?«
Brown zuckte die Achseln. »Geröstet und gekocht, wie sonst? Bist du pingelig?«
»Nein, ich meine das Maultier.«
»Es hat sich einfach hingelegt, das ist alles. Es sah wie ein altes Maultier aus.« Und gleichsam als Entschuldigung: »Zoltan hat die Augen gefressen.«
»Oh.« Damit hätte er rechnen können. »Schon gut.«
Als sie sich an den gedeckten Tisch setzten, überraschte ihn Brown erneut, indem er ein kurzes Gebet sprach und um den Segen bat: Regen, Gesundheit, Erleuchtung des Geistes.
»Glaubst du an das Leben nach dem Tod?« fragte der Revolvermann, während Brown ihm drei Schöpfer heißes Getreide auf den Teller gab.
Brown nickte. »Ich glaube, dies hier ist es.«
4
Die Bohnen waren die Patronen, das Getreide zäh. Draußen schnupperte und heulte der alles beherrschende Wind um den auf Bodenhöhe befindlichen Dachrand. Er aß hastig und heißhungrig und trank vier Tassen Wasser zum Essen. Er hatte die Hälfte gegessen, als es
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