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Der Effekt - Roman

Der Effekt - Roman

Titel: Der Effekt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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hatte, dass es notwendig war, seine wunderbare Wanderung zu unterbrechen, hatte den Überbringer der Nachricht gut ausgesucht. Barney Tench war sein bester Freund und wahrscheinlich der einzige Mensch, der das Risiko eingehen konnte, ihn auf seiner Wanderung anzurufen, ohne anschließend von ihm umgebracht zu werden.
    »Keine gute, Jimmy«, sagte Tench, und Kipper bemerkte ein Zittern in seiner Stimme. Hatte er Angst?
    Als er weitersprach, klang er wie jemand, der gerade einen Eisenbahnunfall hinter sich hatte. Er schien mit den Nerven am Ende zu sein.
    »Alles ist kaputt, Mann, total im Arsch. Du musst sofort zurückkommen. Ich weiß, du hast Urlaub, aber wir brauchen dich hier, sofort!«
    Kipper fröstelte, als er spürte, wie ein einzelner Schweißtropfen über seine Wirbelsäule rann, bis er von der thermischen Unterwäsche aufgesogen wurde.

    »Was ist denn los, Barney? Sag doch endlich!«
    Tench stöhnte auf. »Das ist es ja eben, Jimmy. Keiner weiß es. Vielleicht Krieg. Vielleicht ein verdammter Komet, der uns erwischt hat. Wir wissen es nicht.«
    »Ein was?«
    Kipper hatte seine Umgebung völlig vergessen. Seine ganze Aufmerksamkeit richtete sich nun auf die unsichtbare Verbindung mit seinem Freund und Kollegen in der Stadt. Ein Freund, der ganz offensichtlich den Verstand verloren hatte.
    »Was meinst du mit Komet oder Krieg, Barney? Was ist denn passiert?«
    »Das ganze Land ist weg, alles bis auf uns. Und Alaska vielleicht. Sogar Kanada ist hinüber, jedenfalls der größte Teil davon im Osten.«
    Das Eiswasser, das er eben noch runtergeschluckt hatte, lag ihm mit einem Mal schwer im Magen, ganz so, als hätte er ein paar Liter davon getrunken. Vielleicht lag es an seinem Zorn. Das konnte doch nichts anderes sein als ein übler Scherz. Tench war bekannt für solche Witze. Als sie zusammen auf dem College waren, hatte er die Einladungen für einen Gala-Abend im Grand Hyatt Hotel gefälscht und sie einigen Mädchen unter dem Siegel der Verschwiegenheit ausgehändigt, um sie »ohne großes Aufsehen« an den Universitäten der Stadt zu verteilen. Tench und Kipper hatten es sich dann mit einigen Drinks in der Lobby gemütlich gemacht und zugeschaut, wie Hunderte junger Leute ins Hotel strömten und dem Hotelmanager die vermeintlichen Eintrittskarten unter die Nase hielten. Barney Tench hatte sich so manchen üblen Scherz geleistet.
    »Was meinst du mit ›ist weg‹, Barney? Was du sagst, macht überhaupt keinen Sinn.«
    »Es ist einfach weg, Jimmy. Weg, verdammt nochmal.« Bei jedem Wort wurde seine Stimme schriller. »Schalte deinen Peilsender für die Lokalisierung ein. Ein Hubschrauber
von der Nationalgarde wird dich bald abholen. Sie bringen dich zu einem Flugzeug, einer AC-130 oder so was, haben sie gesagt. Ein dickes Ding jedenfalls. Das bringt dich direkt hierher. Der Stadtrat hat eine Notstandssitzung einberufen. Alle Abteilungsleiter müssen kommen. Das Büro des Gouverneurs schickt eine Abordnung, obwohl niemand weiß, wo Gary Locke abgeblieben ist. Auf seinem Terminkalender steht, er sollte heute kommen. Per Flugzeug«, fügte er hinzu, als ob das alles erklären würde.
    »Barney, wie geht es meiner Familie?«
    »Denen geht’s gut, alles bestens. Barbara hat mir deine Nummer gegeben. Ich muss jetzt weitermachen. Die von der Nationalgarde werden dir alles Weitere erzählen. Ich muss noch Tausende von Anrufen machen. Stell den Leitstrahl ein, setz dich hin und warte.«
    »Barney …«
    Die Verbindung brach ab.
    »Was zum Teufel sollte das denn?«, murmelte er. Kopfschüttelnd kniete er sich neben seinen Rucksack und riss die Tasche auf, in der sich sein Peilsender befand, ein besonders leichter ACR Terrafix. Er schaltete ihn ein und suchte unwillkürlich den Himmel ab, obwohl er wusste, dass der Hubschrauber, der ihn abholen sollte, nicht vor einer Stunde hier sein konnte. Falls er überhaupt kam und es sich nicht um einen fiesen Streich seines Freunds Barney handelte, der sich womöglich brüllend vor Lachen in seinem Sessel räkelte. Wer weiß?
    Der Wind zerriss einige Wolken weit oben im Himmel und blies ihre Fetzen Richtung Küste. Er bemerkte einen riesigen Bussard, der mit ausgebreiteten Schwingen über das Tal schwebte.
    »Gleich wird jemand zur Beute«, sinnierte er laut.
    Dann sah er den Kondensstreifen etwa dreißig Kilometer weiter nördlich. Während der kalten Monate gab es
oftmals ein ganzes Muster aus Kondensstreifen am Himmel, von den Flugzeugen, die auf dem Weg nach Seattle waren,

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