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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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darf.«
    »Wie gesagt, ich muß ganz von vorn anfangen.«
    Der Mann sah sich schnell um und senkte seine Stimme. »Das Land kann ein paar Weiße wie Sie gebrauchen, glauben Sie mir. Leute mit ein bißchen Vertrauen. Manchmal hab ich sogar das Gefühl, wieder unten im Süden zu sein. Tatsache. Das hab ich auch schon meiner Frau gesagt.«
    Ein junger Schwarzer mit Sonnenbrille und einer dichten, federnden Haarmatte, die eher mit einer Baumschere als mit einem Friseurmesser auf Bürstenfrisur getrimmt worden war, hatte sich mit der gebieterischen Geste der Autorität einen Weg durch die Menge gebahnt. »Hier entlang, Colonel, Sir. Ihr Gepäck wird zum Ausgang gebracht, wenn Sie mir bitte die Gepäckscheine geben …«
    Der andere, der in der Heckwelle dieser Aktivitäten hin- und herschaukelte, aber im gastlichen Bewußtsein, in diesem Land schon zu Hause zu sein, wohlwollend gönnerhaft darüber lächelte, redete über den Rücken des Schwarzen hinweg und über den Austausch von Höflichkeitsfloskeln, Gepäckscheinen, Dankeschöns: »… im Silver Rhino natürlich, Sie erinnern sich doch. Wann immer Sie wollen – wird uns ein Vergnügen sein …«
    Er bedankte sich bei ihm, hörte den beiden Männern gleichzeitig zu und verstand keinen und folgte dem festen Hinterteil in weißen Hosen bis hinter die Zollsperren und durch die Ankunftshalle. »Ist in Ordnung, Officer, das ist Colonel Bray.« »Ich kümmere mich schon um Colonel Bray, keine Ursache, ihn zu behelligen.« Ein jugendlicher schwarzer Beamter an der Paßkontrolle sagte unsicher: »Einen Augenblick. Ich wurde nicht darüber informiert, daß …«, aber der blasse Londoner, der ihn darauf vorbereitete, die Stelle zu übernehmen, sagte mit Cockney- Akzent: »Is’ in Ordnung, Kumpel, is’ unser alter Freund, Mr. Kabata.« Das Gepäck wartete noch nicht vor dem mit Fahnen und Flaggen geschmückten und ausgeschlagenen Eingang, wo von einem Bild ein in eine Toga gehüllter, überdimensionaler römischer Imperator Mweta herablächelte, wie er es auf der alten Photographie der Dorffußballmannschaft von Gala getan hatte. Mr. Kabata sagte: »Was ist bloß mit diesen Leuten los. Entschuldigen Sie mich, ich hol mal eben einen Boy«, und kehrte zurück, die Koffer auf dem Kopf eines jener schlaksigen, spreizfüßigen Bauern, aus denen sich das Trägerpersonal immer zusammengesetzt hatte. Der Träger sprach die beiden Männer mit
Mukwayi
an – ein Ausdruck der Ehrerbietung, der in der langen Zeit, in der er unterschiedslosfür jeden Weißen verwendet worden war, etwas Unterwürfiges angenommen hatte.
    Am Volkswagen war ein offizieller Stander angebracht. Die kräftigen Schenkel Kabatas füllten den Sitz neben ihm. »Ist nicht besonders bequem für einen Mann Ihrer Größe, Colonel. Der Präsident wird wahrscheinlich annehmen, ich hätte Sie mit dem Mercedes abgeholt, aber ehrlich, wenn ich gewartet hätte, bis ich den kriege, wäre ich erst weiß Gott wann aufgetaucht. Sie wissen ja, wie’s im Augenblick zugeht. Heute nachmittag kommt Indira Gandhi an, und gestern waren es die Vereinten Nationen und Sékou Touré.« Über der alten Straße, die vom Flughafen in die Stadt führte, spannten sich vergoldete Bögen; einige Männer auf Fahrrädern hatten Hemden an, auf deren Rücken das Gesicht Mwetas in Gelb oder Rostrot aufgedruckt war. Er sagte: »Alles sehr feierlich«, das war aber nur Verwirrung; er hatte das Gefühl, er horche in sich hinein auf der Suche nach etwas anderem. Der junge Mann sagte: »Sie sind aus Gala.« »
War
ich. Warum, kommen Sie von da?« »Von Umsalongwe. Aber meine Mutter ist eine Gala. Ich war zu Besuch dort.« »Wirklich? Erst kürzlich oder als Kind? Vielleicht war ich damals noch dort?« »Ich glaube, die werden sich sehr freuen, Sie wiederzusehen.« Er lachte. »Fragt sich, ob ich überhaupt so weit komme.«
    »Oh, Sie müssen einfach hinfahren«, sagte der junge Mann stolz. »Bis Umsalongwe schaff ich’s in zehn Stunden. Die Straße ist jetzt viel besser, viel besser. Sie werden sehen. Bis Matoko können Sie’s in, sagen wir, sechs, sieben Stunden machen. Mein Wagen ist winzig, eine alte Kiste.« In der Nähe der Brücke holten die Frauen, Ölkanister auf ihren Köpfen, Wasser. Reklamewände waren aus dem Boden geschossen, ein Zementwerk stand da, schmucke Fabrikgebäude, die aus vorspringenden Glaselementen zusammengesetzt waren, und zwischen ihnen die in den Busch gekratzten kleinen Felder, auf denen Frauen und Kinder zwischen krummen

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