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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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und er vermochte nicht zu widerstehen, er schaute ihn doch an.
    Der Wesir begegnete seinem Blick mit einem achtlosen Achselzucken, das Rant Absolain zusammenfahren ließ. Aber die Erste war mit diesem Lauf der Dinge nicht einverstanden. »O Gaddhi «, sagte sie durch die Zähne, »mir fehlt's an Mitteln, um eine Waffe zu erwerben.«
    Urplötzlich geriet der Gaddhi in Wut. »Dann finde dich ohne Schwert zurecht!« Seine Fäuste schlugen auf die Armlehnen des Throns. »Trifft mich an deiner Mittellosigkeit Schuld? Schmähe meiner weiter, und ich werde dich hinaus zu den Sandgorgonen schicken!«
    Kasreyn warf dem Caitiffin einen Blick zu. Sofort tat Rire Grist ein paar Schritte nach vorn, vollführte eine tiefe Verbeugung. »O Gaddhi «, sagte er, »diese Gäste sind Fremde und unvertraut mit der Selbstlosigkeit deines Dienstes am Volke. Gestatte mir, an ihrer Stelle deine Vergebung zu erflehen. Es ist meine feste Überzeugung, daß es beileibe nicht ihre Absicht war, dich zu kränken.«
    Rant Absolain erschlaffte auf seinem Thron. Er wirkte, als wäre er unfähig, irgendeine innere Regung, die dem Willen des Wesirs zuwiderlief, länger durchzuhalten. »Ach, freilich«, murrte er gedämpft. »Ich bin ganz und gar nicht gekränkt.« Er meinte eindeutig das Gegenteil. »Ich stehe über jedweder Kränkung.« Er begann in der Sprache der Bhrathair Worte vor sich hin zu murmeln, die sich wie Flüche anhörten.
    »Das ist wohlbekannt«, behauptete der Wesir mit gleichmäßiger Stimme, »und gereicht dir um so mehr zur Ehre. Doch müßte es dir Kummer bereiten, Gäste ohne ein Andenken deiner Gastfreundschaft in den Händen gehen zu lassen. Mag sein, noch ein anderes Begehr ist in ihren Herzen – ein Wunsch, der erfüllt werden kann, ohne daß deine Dienerschaft am Volke verunglimpft wird.«
    Mit unbeschreiblicher Betroffenheit sah Linden, wie Kasreyn sein goldenes, glasloses Monokel zur Hand nahm und es an sein linkes Auge hob. Eine allgemeine Erstarrung, fast ein Anzeichen offener Furcht, packte die Höflinge. Rant Absolain drückte sich noch stärker an die Rücklehne seines Throns. Aber die Geste des Wesirs erregte einen so natürlichen und unvermeidlichen Eindruck, daß Linden ihre Augen nicht abwenden, sich nicht wehren konnte, als Kasreyns Blick durch den Ring auf sie fiel; und mit einem Schlag besänftigte sich in ihr aller innere Aufruhr. Umgehend war sie der Überzeugung, keinen Anlaß zur Sorge zu haben, keinen Grund zum Mißtrauen gegen den Wesir. In seinem linken Auge gab es eine Antwort auf alles. Lindens letztes, innerstes Sträuben wich vollständiger Entspannung, als Macht und Bann seines Willens über sie kam, ihr die Worte entlockte, die er hören wollte. »O Gaddhi, ich frage dich, ob dein Wesir etwas tun kann, um meinen Begleiter Thomas Covenant zu heilen.«
    Rant Absolain erleichterte es anscheinend außerordentlich, daß der Wesir seinen Augenring nicht auf ihn gerichtet hatte. »Ich bin vollauf sicher«, sagte er überlaut, »daß Kasreyn alles unternehmen wird, was in seiner Macht steht, um die erbetene Hilfe zu leisten.« Schweiß zog Streifen durch die Schminke seines Gesichts.
    »O Gaddhi, ich diene dir mit Freuden.« Der Blick des Wesirs verließ Linden; sein Effekt jedoch wirkte nach, und Linden blieb völlig ruhig, obwohl der Wesir nun Covenant mit offener, nachgerade wüster Gier anstierte. Blankehans und die Erste schauten Linden bestürzt an. Seeträumers Muskeln verkrampften seine Schultern. Aber die Ruhe, die die Suggestivkraft des Wesirs Linden eingeflößt hatte, blieb bestehen. »Komm, Thomas Covenant!« sagte Kasreyn mit scharfem Nachdruck. »Wir werden uns sogleich an den Versuch deiner Heilung begeben.« Brinn warf Linden einen stummen, fragenden Blick zu. Sie nickte; ihr war nichts anderes möglich, als zu nicken. Sie war heilfroh, daß der Wesir ihr die Last von Covenants Elend nun abgenommen hatte. Der Haruchai schnitt eine leicht mißmutige Miene; wortlos stellte sein Blick den Riesen die gleiche Frage; doch sie widersprachen Linden nicht. Sie bemerkten nicht, was mit Linden geschah. Brinn zuckte die Achseln und führte Covenant zum Wesir. Kasreyn musterte den Zweifler mit unersättlichem Hunger. »Ich danke dir, Brinn von den Haruchai «, sagte er mit einem schwachen Beben in der Stimme. »Du kannst ihn nun getrost meiner Obhut überlassen.«
    In dieser Hinsicht kannte Brinn kein Zögern. »Nein!«
    Seine Weigerung rief unter den Höflingen vielfaches, sofort unterdrücktes

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